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Der Anwaltsschriftsatz als Teil eines großes Ganzen – der Verfügung (Buskeismus)

Der unter Juristen und insbesondere Presserechtlern bundesweit bekannte Autor der Internetseite www.buskeismus-lexikon.de kam wieder einmal seiner ihm selbst auferlegten Pflicht nach und berichtete über ein presserechtliches Verfahren – diesmal sogar gegen ihn selbst – , wobei er u. a. einen anwaltlichen Schriftsatz, den Antragsschriftsatz, des Prozessbevollmächtigten seines Gegners veröffentlichte.

Dieser Rechtsanwalt hatte zuvor erfolgreich nicht zuletzt aufgrund des hier streitgegenständlichen Schriftsatzes eine einstweilige Verfügung gegen den Autor der oben genannten Internetseite erwirkt und ging nunmehr in eigenem Namen gegen die Veröffentlichung seines doch letztlich im Ergebnis so erfolgreichen Antragsschriftsatzes vor, weil er sich durch die Veröffentlichung u. a. seine Urheberrechte verletzt sah.

Das Landgericht Köln (LG Köln, Urteil v. 07.07.2010, Az. 28 O 721/09, abrufbar bei Telemedicus) wies diese Klage nunmehr als unbegründet zurück. Auf die grundsätzlich interessante Frage, wann anwaltliche Schriftsätze die urheberrechtlich erforderliche Schöpfungshöhe erreichen (siehe hierzu: Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung „Anwaltsschriftsatz“ (GRUR 1986, 739 ff.), kam es demnach vorliegend gar nicht an. Das im vorhergegangenen Verfügungsverfahren zuständige Landgericht Berlin hatte in seinem Beschluss nämlich Folgendes festgestellt: „Die einstweilige Verfügung war aus den Gründen der verbundenen Antragsschrift nebst Anlagen zu erlassen“. Damit wurde durch das Landgericht Berlin der vor dem Landgericht Köln streitgegenständliche Antragsschriftsatz durch die Bezugnahme in der Formulierung des Gerichts zum Teil eines großen Ganzen, und zwar der erlassenen einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin.

Die Veröffentlichung des Antragsschriftsatzes durch den eifrigen, ja nimmermüden Presserechtsprozessbeobachter Nr. 1 war damit nach Ansicht des Landgerichts Köln im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Entscheidung als deren Teil anzusehen.

Weil sich das Landgericht Berlin bei der Begründung bzgl. der erlassenen einstweiligen Verfügung damit begnügte, einen Verweis auf den Schriftsatz des Antragstellers zu bringen, wurde dieser Antragsschriftsatz insofern nach der Argumentation des Landgerichts Köln zu einem Teil der Entscheidungsbegründung selbst und damit nach § 5 Abs. 1 UrhG gemeinfrei.

So schnell greifen urheberrechtliche Schranken und ein Anwalt formuliert – ohne dies vorher ahnen zu können – den Teil eines amtlichen Werkes, welches gemeinfrei ist und dem Verfasser damit jeglichen urheberechtlichen Schutz nimmt. Im Umkehrschluss kann ein Gericht – wenn es Bezug nimmt, statt selbst zu formulieren – einen Rechtsanwalt dann zumindest mittelbar und für die logische, gedankliche Sekunde in die Position eines Richters heben, welcher nun einmal hoheitlich und gemeinfrei für den Rechtsstaat und nicht parteilich und individuell wie ein Rechtsanwalt formuliert.

Ob dieser Schluss mit dem Standesrecht zu vereinbaren ist, konnte bislang weder eruiert noch abschließend geprüft werden. (ha)

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