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"Der Baader Meinhof Komplex" und die Kunstfreiheit

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 09.01.2009 (LG Köln, Uv. 09.01.2009, 28 O 765/08) entschieden, dass die Darstellung der Ermordung des Bankiers Pontos in dem Kinofilm „Der Baader Meinhof Komplex“ weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Ermorderten noch das Persönlichkeitsrecht der Witwe verletze.

Die Witwe des von der RAF im Jahr 1977 ermorderten Bankiers Jürgen Ponto hat im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens beantragt, dass der Produktionsfirma die weitere Veröffentlichung und Verbreitung der verfahrensgegenständlichen Filmszene untersagt werde.

Die Witwe trug vor, dass in der Szene in der ihr Mann ermordet wird, mehrere Darstellungen nicht der Wahrheit entsprächen. Zum einen habe Sie selbst der Ermordung beiwohnen müssen,  dies werde nicht gezeigt, zum anderen müsse Sie als Tatopfer diese effekthascherische Darstellung der Tat nicht hinnehmen.

Das Landgericht Köln sah dies anders. Im Rahmen der Abwägung der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz mit dem postmortalen Persönlichkeitsrecht sowie dem Persönlichkeitsrecht der Witwe, überwiege die Kunstfreiheit.

Das Filmwerk als Ganzes unterfalle der Freiheit der Themenwahl und -gestaltung. Diese Freiheit beinhalte auch die Entscheidung, mit welchen Szenen und in welcher Art und Weise die darzustellende Geschichte erzählt wird„,

so das Gericht. Durch die Abweichungen von der Realität in der fraglichen Filmszene sei weder eine Verfälschung des Lebensbildes des Opfers noch eine sonstige Abwertung oder Entwürdigung seiner Person erfolgt.

Auch das Persönlichkeitsrecht der Witwe sei vorliegend nicht verletzt worden. Die Beeinträchtigungen, wie die Erkennbarmachung der Klägerin, eine mögliche Beeinträchtigung des Opferschutzes bei der Verfilmung sowie die Abweichung von der Wirklichkeit hinsichtlich ihrer eigenen Anwesenheit bei der Tat, müssten hinter der Kunstfreiheit zurückstehen. Dies gelte auch, obwohl der Film ein Höchstmaß an historischer Authentizität für sich in Anspruch nehme.

Das Landgericht Köln stellte weiter klar, dass das Filmthema „RAF“, einschließlich der Ermorderung des Bankiers Ponto, ein herausragendes Ereignis der Zeitgeschichte sei und insofern die Persönlichkeitsrechte der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes dahinter zurücktreten müssten. Insbesondere sei bei der Abwägung auf den Film als Gesamtorganismus abzustellen und nicht auf einzelne Szenen, die in ihrer Darstellung von der Realität abweichen. Für den Zuschauer sei deutlich erkennbar, dass der Film keine reine Abbildung der Realität anstrebe, sondern mit der konkreten Umsetzung vielmehr die Botschaft des Films transportiert werden soll.

Interessant an dieser Entscheidung ist neben den Ausführungen zum Verfügungsanspruch auch die Begründung der Zurückweisung des Verfügungsgrundes. Die Klägerin habe zunächst nach Ansicht des Gerichts im Vorfeld des Verfügungsverfahrens zulange mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugewartet. Nach einer klaren Absage der Beklagten bezüglich einer Vergleichslösung, habe die Klägerin etwa zwei Wochen abgewartet, wodurch die erforderliche Eilbedürftigkeit nicht mehr gegeben sei.

Des Weiteren stellte das Landgericht Köln klar, dass ein sogenanntes „Forum Shopping“ zum Wegfall des Verfügungsgrundes führe. Die Klägerin hatte zunächst einen Verfügungsantrag bei dem Landgericht Hamburg mit demselben Inhalt gestellt, diesen dann zurückgenommen und beim Landgericht Köln eingereicht. Dieses „Gerichte Hopping“ lässt also nach Ansicht des Landgerichts Köln in jedem Fall den Verfügungsgrund entfallen.

Dieses Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, der Teilnahme des Films in der bisherigen Fassung in Hollywood bei der Oscar-Verleihung am 22. Februar 2009 als bester ausländischer Film steht aber wohl nichts entgegen. Wir drücken die Daumen (nh).  Zum Urteil

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