"I am positive (+)"
Das Recht am eigenen Bild erfordert für eine zulässige Veröffentlichung grundsätzlich immer die Einwilligung des Abgebildeten. Über die Voraussetzungen dieses besonderen Persönlichkeitsrechts haben wir bereits ausführlich anhand verschiedener Beispiele berichtet.
In einem von unserer Kanzlei betreuten Fall entdeckte eine Mandantin beispielsweise ihr Konterfei überraschend auf einem Bekleidungsstück einer großen Modekette. Eine noch größere und vor allem weitaus problematischere Entdeckung machte jüngst die Amerikanerin Avril Nolan. Ihr Foto wurde von der Menschenrechtsagentur des Bundesstaates New York für eine Aufklärungskampagne genutzt, die sich gegen die Diskriminierung HIV-positiver Menschen richtete. Auf dem Foto mit dem Bildnis der jungen Frau steht „I AM POSITIVE (+)“ und „I HAVE RIGHTS“.
Das Problem an dieser Verwendung des Fotos war nicht, dass es niemals eine Einwilligung in die Veröffentlichung des Fotos gegeben hat. Eine Einwilligung zur Veröffentlichung ihres Fotos hatte Avril Nolan vor Jahren erteilt, jedoch für einen gänzlich unterschiedlichen Verwendungszweck, nämlich für Modeaufnahmen. Eine Einwilligung für das jüngst veröffentlichte Foto, welches dem Betrachter suggeriert, dass die abgebildete Avril Nolan HIV-positiv ist, was tatsächlich nicht der Fall ist, und für Ihre Rechte und gegen eine Diskriminierung einsteht, hat sie nicht erteilt.
Die damalige Fotografin verkaufte das Foto an die große Bildagentur Getty Images und räumte aktuell in der amerikanischen Presse ein, dass sie den diesbezüglichen Vertrag, den sie mit der Bildagentur geschlossen hat, bereits nicht verstanden habe. Unterstellt man, dass die Angaben von Avril Nolan richtig sind, dann hatte die Fotografin zuvor bereits nicht verstanden, dass sie das Bild nicht an Dritte weitergeben darf, bzw. die entsprechenden Nutzungsrechte Dritten gegenüber einräumen darf.
Jetzt verklagt Avril Nolan Getty Images wegen der unberechtigten Veröffentlichung des Bildes auf 450.000,00 $ Schadensersatz. Sollte sie mit ihrer Klage Erfolg haben, wird sich die Bildagentur höchstwahrscheinlich mit ihrem Schaden an die Fotografin wenden und wiederum diese verklagen, soweit diese im angesprochenen Vertrag versichert hat, dass sie berechtigt ist, die entsprechenden Nutzungsrechte an dem Bild einzuräumen.
Nach deutschem Recht wäre die Veröffentlichung des Bildes für eine entsprechende Kampagne ohne Zweifel eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Zwar liegt eine Einwilligung vor, diese umfasst aber gerade nicht mehr die Veröffentlichung des Bildes im Rahmen einer solchen Aufklärungskampagne (vgl. BGH NJW, 1985, 1617). Der Umfang der Einwilligung ist im Zweifelsfall immer im Wege der Auslegung zu ermitteln. Diesbezüglich werden von der Rechtsprechung die im Urheberrecht entwickelten Grundsätze der Zweckübertragungslehre (vgl. § 31 Abs. 5 UrhG) herangezogen. Hiernach reicht die Einwilligung immer nur genau soweit, wie der mit der Erteilung der Einwilligung verfolgte Zweck. Eine Veröffentlichung des Bildnisses in einem völlig anderen Zusammenhang, wie im vorliegenden Fall, wird damit nicht von der Einwilligung umfasst (vgl. OLG Karlsruhe, AfP 2006, 467, 468).
Ob der jungen Dame nach deutschem Recht auch ein Schadensersatz bzw. eine Geldentschädigung zugesprochen würde, steht auf einem anderen Blatt. Zumindest die geltend gemachten 450.000,00 $ wären in Deutschland wohl nicht durchsetzbar.
Aus dieser Geschichte kann man zwei Aspekte mitnehmen. Erstens sollte man – nicht nur als Fotograf – Verträge genau lesen und verstehen, bevor man sie unterzeichnet. Zweitens sollte man niemals damit rechnen, dass einem selbst eine solche Überraschung nicht auch einmal widerfahren kann. Und bei einer entsprechenden Entdeckung sollte dann ohne weitere Verzögerung eine versierte Kanzlei aufgesucht werden, die sich umgehend um die effiziente Durchsetzung der bestehenden Ansprüche kümmert (ha).