Kündigung des Arbeitsverhältnisses vs. Vertraulichkeit von WhatsApp-Chats
Jeder kennt den Anbieter WhatsApp und viele nutzen ihn auch. Dabei denken einige, dass alles was dort kommuniziert wird auch privat, wenn nicht sogar vertraulich ist und keine Auswirkungen auf andere Bereiche im Alltag hat. Doch ist das tatsächlich so? Kann mein Arbeitgeber mich beispielsweise aufgrund von WhatsApp-Nachrichten kündigen?
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Kündigung des technischen Leiters eines gemeinnützigen Vereins in einem Chat bei dem Dienstanbieter WhatsApp für unwirksam erklärt.
Private Chats
Der Gekündigte ist bei einem Verein, der überwiegend in der Flüchtlingshilfe tätig ist, angestellt. Mitglieder des Vereins sind der Landkreis, verschiedene Städte und Gemeinden sowie einige Vereine. Die Arbeit in dem Verein wird in erheblichem Umfang ehrenamtlich unterstützt. Im Zuge der Kündigung eines anderen Beschäftigten erhielt der Verein Kenntnis von einem über WhatsApp geführten Chat zwischen dem technischen Leiter, dem bereits gekündigten Beschäftigten und einer weiteren Beschäftigten. In diesem Chat äußerten sie sich „in menschenverachtender Weise über Geflüchtete und herabwürdigend über Helferinnen und Helfer“. Daraufhin kündigte der Verein das Arbeitsverhältnis mit dem technischen Leiter fristgemäß.
Gegen die Kündigung ging der technische Leiter vor und erhob Kündigungsschutzklage vor dem Amtsgericht (AG) Brandenburg an der Havel.
Vertraulichkeit der Kommunikation hat Priorität
Allerdings sah das Gericht in dem WhatsApp-Verlauf zwischen den Mitarbeitern keinen ausreichenden Kündigungsgrund und erklärte die Kündigung für unwirksam. Auch die nächste Instanz, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19.07.2021, Az. 21 Sa 1291/20) ist der Auffassung, dies stelle keinen ausreichenden Kündigungsgrund dar und demnach sei die Kündigung unwirksam.
Die Richter sind der Ansicht, diese Äußerungen und Nachrichten innerhalb des WhatsApp-Chats seien vertraulich. Grundsätzlich seien diese vor Gericht verwertbar, allerdings stellen sie entgegen der Auffassung des Vereines keine ausreichende Grundlage für einen Kündigungsgrund dar. Zum einen habe die Kommunikation in einem sehr kleinen – privaten – Kreis und mit privaten Handys stattgefunden. Zum anderen seien die Nachrichten erkennbar nicht auf die Weitergabe an Dritte ausgerichtete gewesen, sondern eben auf Vertraulichkeit. Aus diesen Gründen würden die Äußerungen unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beteiligten fallen und gerade keine rechtfertigende Pflichtverletzung für die Kündigung darstellen.
Zudem sei auch eine fehlende Eignung für die Tätigkeit nicht allein auf dieser Grundlage festzustellen, so die Richter. Es bestünden keine besondere Loyalitätspflichten gegenüber den Geflüchteten und den Mitarbeitern, da der technische Leiter gerade keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben wahrzunehmen habe.
Zusammenarbeit noch zumutbar?
Während das Arbeitsgericht Brandenburg Havel noch der Auffassung war, dass auch eine Abfindung und eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses hier nicht in Betracht kommen, entschied das LAG anders. Dieses hat das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Vereins gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Hier lägen die Voraussetzungen einer ausnahmsweise möglichen gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor.
Gem. § 9 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) kann ein Arbeitgeber eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur verlangen, wenn die Kündigung ausschließlich sozialwidrig ist. Die Lösungsmöglichkeit nach § 9 KSchG bedeutet für den Arbeitgeber eine Vergünstigung, die auf die Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen nicht übertragbar ist. Insofern bezweckt die Regelung, die Bindung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer zu „entschärfen“ durch die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung dann zu beenden, wenn für die Zukunft eine den Betriebszwecken dienlich Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten ist. Insofern sei in diesem Fall keine den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit im Sinne des § 9 Kündigungsschutzgesetz zu erwarten.
Der Verein hatte eine gerichtliche Auflösung beantragt, da er eine Weiterbeschäftigung des technischen Leiters für nicht mehr möglich hielt. Eine Weiterbeschäftigung würde seine Glaubwürdigkeit gegenüber geflüchteten Menschen zerstören. Außerdem beeinträchtige eine solche die Gewinnung ehrenamtlicher Helfer sowie hauptamtlichen Personals, auf die der Verein jedoch angewiesen sei. Die Richter befanden, dass genau diese Gründe ausreichen, um ausnahmsweise eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen. Das auch aus dem Grund, dass die schwerwiegenden Äußerungen öffentlich bekannt geworden seien – dadurch verliere der Verein tatsächlich an Glaubwürdigkeit, würde er den Leiter weiterbeschäftigen, gegenüber geflüchteten Menschen auftreten lassen und als Teil der Flüchtlingshilfe bezeichnen. Diese Beurteilung wirkte sich auch auf die Höhe der Abfindung aus. Denn auch in diesem Rahmen berücksichtigte das Landesarbeitsgericht ein Auflösungsverschulden des Gekündigten, das sich allerdings aufgrund der angestrebten Vertraulichkeit der Äußerungen mindere, so die Richter in der Hauptstadt.
Rassistischer privater WhatsApp-Chat noch kein Kündigungsgrund
Feststeht: Auch in solch misslichen Fällen muss das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beteiligten hinreichend gewahrt werden. So auch, wenn die persönliche Einstellung enorm widersprüchlich zu der Ausübung des Berufs ist!
Gegen seine Entscheidung hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Es bleibt also abzuwarten, ob in dieser Sache das letzte Wort schon gesprochen ist.