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Offener Brief von CORRECTIV: Viel Aufregung um Wenig

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Ermittlungen gegen CORRECTIV-Chefredakteur Ström
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Das Thema Whistleblowing erhitzt immer wieder die Gemüter.

Im Dezember 2018 hat das Recherchezentrum CORRECTIV einen offenen Brief an die Justizministerin Katharina Barley und den Finanzminister Olaf Scholz veröffentlicht.

In dem Brief echauffieren sich die Autoren über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hamburg gegen den Chefredakteur von CORRECTIV Oliver Schröm wegen des Verdachts auf Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gem. § 17 UWG i.V.m. § 26 StGB.

Ist die Aufregung berechtigt oder handelt es sich lediglich um „heiße Luft“?

Whistleblowing führte zu Strafverfahren

Das gemeinnützige Recherchezentrum CORRECTIV hatte gemeinsam mit weiteren europäischen Medienpartnern einen Steuerskandal aufgedeckt – den sogenannten Cum-Ex-Skandal. Durch Finanztricks bei Aktiendeals ist alleine dem deutschen Staat wohl ein Schaden in Höhe von mehreren Milliarden Euro entstanden.

Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen den Chefredakteur von CORRECTIV Oliver Schröm wegen des Verdachts auf Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gem. § 17 UWG i.V.m. § 26 StGB. Herr Schröm soll einen Mitarbeiter einer Schweizer Bank angestiftet haben, Informationen über die Cum-Ex-Geschäfte öffentlich zu machen.

Die CORRECTIV-Redaktion ist empört und veröffentlichte einen offenen Brief an die Justizministerin Katharina Barley und den Finanzminister Olaf Scholz.

Die Redaktion beschwert sich dort darüber, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihren Chefredakteur aufgenommen hat. Sie fordert Frau Barley zudem dazu auf, dafür sorgen, dass Journalisten nicht wegen des Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen strafrechtlich verfolgt werden können. Steuerraub sei ein Verbrechen, Journalismus hingegen nicht.

Ist die Aufregung berechtigt?

In dem offenen Brief heißt es unter anderem:

„Es ist das erste Mal, dass dieser Paragraph auf einen Journalisten angewendet wird.“

und

„Es ist erschreckend, dass deutsche Behörden sich von den Tätern instrumentalisieren lassen.“

Bei dem Straftatbestand des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 17 UWG handelt es sich um ein relatives Antragsdelikt. Das bedeutet, die Staatsanwaltschaft darf grundsätzlich nur auf Antrag des potentiell Geschädigten der Straftat nachgehen. Laut eigener Aussage der CORRECTIV-Redaktion hat die Hamburger Staatsanwalt die Ermittlungen aufgrund eines Gesuchs der Schweizer Behörden aufgenommen, die wiederum wegen einer Anzeige einer Schweizer Bank, die in dem Cum-Ex-Skandal verwickelt sein soll, tätig wurden.

Darüber hinaus handelt es sich gemäß § 374 Abs. 1 Nr. 7 StPO bei dem Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen um ein Privatklagedelikt. Die Staatsanwaltschaft muss grundsätzlich nicht tätig werden. Allerdings hat der potentiell Geschädigte die Möglichkeit, die Anklage einer Straftat ohne Mitwirkung der Staatsanwaltschaft zu erheben. Die Staatsanwaltschaft hingegen muss bei Privatklagedelikten tätig werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt, § 376 StPO.

Die Entscheidung, ob ein öffentliches Interesse gegeben ist, liegt zwar im Ermessen der Staatsanwaltschaft, jedoch wird die Staatsanwaltschaft Hamburg angesichts des Zusammenhangs mit dem Cum-Ex-Skandal keine andere Wahl gehabt haben, als ein solches öffentliches Interesse anzunehmen. Im Endeffekt musste die Staatsanwaltschaft Hamburg also die Ermittlungen aufnehmen. Von einer „Instrumentalisierung“ kann folglich keine Rede sein.

Tatbestand erfüllt, Täter gerechtfertigt

Auch die folgende Forderung zeugt von einem merkwürdigen Rechtsverständnis:

„Sehr geehrte Frau Justizministerin Katarina Barley, wir fordern Sie auf, investigative Recherchen von Journalisten nicht zu kriminalisieren. Sorgen Sie dafür, dass Journalisten nicht wegen Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen strafrechtlich verfolgt werden können.“

Denn es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass ein bestimmtes Verhalten nur deswegen grundsätzlich von der Strafbarkeit ausgenommen werden sollte, weil es durch eine bestimmte Berufsgruppe, wie im vorliegenden Fall der Journalisten, an den Tag gelegt wird. Wie so häufig im Strafrecht, kommt es darauf an, um welche Handlungen es im Einzelfall geht und mit welchem Zweck und unter welchen Begleitumständen sie begangen werden.

Für den vorliegenden Fall gilt: So absurd, wie CORRECTIV ihn darstellt, ist der Vorwurf gegen Herrn Schröm nicht.

Fordert ein Redakteur einen Mitarbeiter einer Bank dazu auf, ihm Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die dem Mitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeit anvertraut wurden, mitzuteilen, ist nämlich der Tatbestand der Strafnorm des § 17 UWG i.V.m. § 26 StGB grundsätzlich erfüllt.

Das mag zunächst einmal hart klingen. Im deutschen Strafrecht wird jedoch zwischen der Ebene des Tatbestandes und der Rechtswidrigkeit differenziert. Das bedeutet: Ist der Tatbestand der Strafnorm erfüllt, entfällt aber die Rechtswidrigkeit bspw. aufgrund eines rechtfertigenden Notstands nach § 34 StGB, wird der Täter nicht verurteilt. Schließlich handelte er gerechtfertigt.

Genau eine solche Rechtfertigung kann Herrn Schröm, als auch ggf. dem Mitarbeiter der Bank zu Gute kommen. So ist anerkannt, dass das Offenlegen einer vertraulichen Information und auch die Anstiftung hierzu gemäß § 34 StGB gerechtfertigt sein kann, wenn sie eine rechtswidrige Handlung (ggf. den Cum-Ex-Skandal, sofern rechtswidrig) betrifft, die anderweitig nicht aufgedeckt werden kann und ihre Offenlegung einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in der Öffentlichkeit darstellt (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 17 Rn. 30).

Im Endeffekt sind investigative Journalisten, die rechtswidrige Handlungen aufdecken und dies einen Beitrag im öffentlichen Diskurs darstellt, durch den rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB gerechtfertigt. Eine Verurteilung haben sie dann nicht zu befürchten.

Tief Luft holen und durchatmen

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass investigativer Journalismus in Deutschland grundsätzlich nicht kriminalisiert wird. Andererseits stellt er natürlich auch keinen Freibrief für ansonsten strafbare Handlungen dar. Ähnlich wie im Zivilrecht (Stichwort: Zulässige Verdachtsberichterstattung) ist eine fremde Rechtspositionen tangierende Berichterstattung auch im Strafrecht nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Es bringt auch nichts, sich (öffentlich) darüber zu beschweren, dass die Behörden tätig werden, sobald sie von einem Verdacht einer Straftat erfahren. Es ist die Pflicht  der Staatsanwaltschaft – insbesondere bei dem Vorliegen eines öffentlichen Interesses – potentiellen Straftaten nachzugehen – ganz gleich, wer der potentielle Täter ist und was er beruflich macht.

Und zu guter Letzt: Jemand, der sich unter der Flagge des „Investigativjournalismus“ für die Offenlegung und Sanktion rechtlich fragwürdiger Vorgänge einsetzt, muss es aushalten, dass sein eigenes Verhalten anhand der gleichen rechtsstaatlichen Maßstäbe gemessen wird, wie das der von ihm angeprangerten vermeintlichen Missetäter.

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