Warum Adidas keine Miete mehr zahlt und der Shitstorm dennoch unberechtigt ist
In den sozialen Medien tobt seit einigen Tagen der berüchtigte Shitstorm.
Den Anfang mit der Kritik machte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) – sie hatte erst vorige Woche ihr Gesetz zum Corona-Schutz von Mietern durchbekommen. Jetzt sieht das Ministerium die Regelung missbraucht.
Insbesondere auf Twitter machen die Nutzer ihrem Ärger Luft. Es wird zum Boykott aufgerufen.
Adidas erzielte 2019 2 Mrd Euro Gewinn. Der Vorstand verdiente über 22 Mio Euro. Da kann man erwarten, dass Gesetze nicht absichtlich falsch verstanden werden. Trotz Finanzstärke Miete nicht zu bezahlen, hat wenig mit Corona zu tun, sondern viel mit unsolidarischem Verhalten. https://t.co/9XpNOHjJTB
— Volker Ullrich (@VolkerUllrich) March 27, 2020
MdB und SPD-Politiker Florian Post veröffentlichte sogar einen Tweet mit einem Video, in dem er ein Kleidungsstück der Marke Adidas verbrennt:
Ich kaufe keine adidas-Produkte mehr! Auch Vereine sollten überlegen, wer ihr Sponsoring-Partner künftig und gerade nach der Corona-Krise sein sollte. Hier handelt es sich übrigens um ein altes Polo-Shirt, für die Kleiderspende völlig ungeeignet. #adidas #covid_19 pic.twitter.com/nzpxzneuEd
— Florian Post (@FlorianPost) March 28, 2020
So weit, so dramatisch. Wie sich das auf Twitter gehört, gibt es auch schon einen Hashtag: #boycottadidas.
Adidas allerdings sieht sich zu Unrecht angegangen. Es gehe nicht darum, die Miete für den April nicht zu bezahlen. Es gehe lediglich um eine Stundung. Man stehe dazu mit den betreffenden Vermietern in engem Austausch:
„Unsere Vermieter, große Immobilienvermarkter und Versicherungsfonds, haben für diese Maßnahme überwiegend Verständnis gezeigt. Privatpersonen, vier an der Zahl, sind von dieser Stundung ausgenommen und erhalten Ihre April-Miete wie gewohnt.”
Mit anderen Worten: Die Stundungen treffen niemanden, der durch die Corona-Maßnahmen eigentlich geschützt werden soll. Abgesehen davon sind gestundete Beträge zu verzinsen. Unter Unternehmern mit einem Zinssatz von ca. 8%.
Auch in rechtlicher Hinsicht schießt die Kritik über das Ziel hinaus. Denn alle Mieter müssen unabhängig vom „Corona-Gesetz“ prüfen, ob sie aufgrund der Schließung ihrer Betriebe bzw. Geschäftslokale die Zahlung der Miete einstellen oder diese temporär nur unter Vorbehalt zahlen. Die behördlichen Schließungen könnten nämlich Mietmängel darstellen bzw. die Störung der Geschäftsgrundlage bedeuten.
Selbstverständlich sollten sich Vertragsparteien– unabhängig von der Corona-Krise – stets um eine Einigung bemühen, bevor eine Partei die geschuldete Leistung schlicht verweigert. Diese Gespräche finden im Fall Adidas – zwischen Vertragsparteien auf Augenhöhe – offenbar auch statt. Dennoch wäre auch die Einstellung der Mietzahlungen kein Ausnutzen der besonderen gesetzlichen Regelungen aus Anlass der Krise, sondern eine gewöhnliche Reaktion auf jederzeit mögliche Störungen des Vertragsverhältnisses.
Auch die Vermieter stehen übrigens nicht zwangsläufig mit leeren Händen da. Diese haben wegen der gesetzlichen und behördlichen Maßnahmen womöglich Entschädigungsansprüche gegen das jeweilige Bundesland.