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Aber bitte mit Farbe – KG rügt LG wegen schwarz-weißer Aktenführung

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§ 40 Abs. 2 der Zivilprozessordnung normiert ausdrücklich die Unzulässigkeit einer Gerichtsvereinbarung bei der Begründung eines ausschließlichen Gerichtsstands. Und da es sich bei § 14 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schon dem Wortlaut nach („außerdem nur“) um eine ausschließliche Bestimmung des Gerichtsstands handle, könne eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien keine Berücksichtigung finden – so das Kammergericht Berlin kürzlich.

Das KG Berlin ließ es sich in der gleichen Entscheidung nicht nehmen, das Landgericht auch wegen einer anderen Sache zurechtzuweisen. Denn hin und wieder druckt das LG Berlin beA-Schriftsätze nicht in Farbe, sondern in schwarz-weiß aus, bevor es sie zur Akte heftet – das Kammergericht hat aber keine Lust mehr auf graue Akten und fordert farbige Ausdrucke von der Gerichtsverwaltung des Landgerichts Berlin.  

Lauterkeitsrechtliche Ansprüche

Hintergrund der Entscheidung ist ein Streit um wettbewerbsrechtliche Ansprüche, für den sich das Landgericht Berlin (LG) örtlich und international für unzuständig hielt. Denn die Parteien hätten in dem ihrem Rechtsstreit zugrunde liegenden Vertrag die Zuständigkeit eines englischen Gerichts vereinbart.

Dagegen wendete sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Das Kammergericht (KG) hatte den LG-Beschluss daraufhin aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückgewiesen (KG Berlin, Beschluss v. 23.06.2020, Az. 5 W 1031/20). Dabei nutzte das KG die Gelegenheit, das LG ordentlich zurechtzuweisen. Zwar wurden sowohl elektronische Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) als auch Ausdrucke eingereicht. Allerdings gab das Gericht die Schriftsätze, die Farbbestandteile enthielten, lediglich in schwarz-weiß zur Akte. Das gefiel dem KG nicht. „Die Zurückverweisung erscheint im Übrigen auch deshalb angebracht, um dem Landgericht Gelegenheit zu geben, vor Weiterverarbeitung der Sache ordnungsgemäße Papierakten zu produzieren“, stellt das KG klar.

Zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit

Ursprünglich war der Grund für die Zurückweisung die Frage nach der Zuständigkeit des Landgerichts. Die Begründung des LG trage weder die Verneinung der internationalen noch der örtlichen Zuständigkeit, so das Kammergericht Berlin.

Zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit komme es mangels insoweit bestehender staatlicher Abkommen oder Verträge auf die diesbezüglich innerstaatlichen Regeln an. Danach bestimme sich die internationale Zuständigkeit nach den Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit, sodass im Bereich des Wettbewerbsrechts § 14 UWG greife – wobei die Norm bei Bejahung der internationalen Zuständigkeit sodann zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit unmittelbar gelte. Zwar habe der Kläger die Wahl zwischen den Gerichtsständen des § 14 Abs. 2 Satz 1 und des § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG, allerdings handele es sich bei beiden Gerichtsständen um ausschließliche – ein anderes Gericht kann daher weder durch Vereinbarung noch durch rügeloses Verhandeln zur Hauptsache zuständig werden.

Der vertraglichen Vereinbarung der Beteiligten könne schon deswegen keine Wirkung zukommen, da § 40 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) ausdrücklich die Unzulässigkeit einer Gerichtsvereinbarung bei der Begründung eines ausschließlichen Gerichtsstands normiere.

Und trotz der Besonderheiten eines Eilverfahrens entschied das KG jedoch nicht selbst, sondern verwies die Sache an das LG unter Hinweis auf eine mögliche mündliche Verhandlung zurück. Einerseits solle den Parteien hier keine Instanz genommen werden, andererseits – jetzt der „Wink mit dem Zaunpfahl“ – solle so dem LG die Möglichkeit gegeben werden, erstmals ordnungsgemäße Papierakten zu produzieren.

Aber bitte mit Farbe!

Das KG betont, der wiederholten, verfehlten Übung der Gerichtsverwaltung des Landgerichts Berlin geschuldet, seien Akten immer wieder in schwarz-weiß ausgedruckt worden, obwohl sie möglicherweise Farbbestandteile enthielten. Ob die Dokumente aber tatsächlich Farben enthalten, könne der Senat mangels Zugriffes auf die beim LG gespeicherten elektronischen Eingänge eben nicht überprüfen. Vor allem sei es den Richtern aber unzumutbar, wenn ihnen die Schriftsätze nicht im (farbigen) Original vorlägen. Außerdem sei auch der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne des Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht gewahrt, wenn das Gericht die eingereichten Dokumente nicht in authentischer, sondern abgewandelter Form beurteile.

Aus diesen Gründen werde das LG den Papieraktenbestand gegebenenfalls entsprechend zu korrigieren haben, so das KG in seinem Beschluss – und sollte das LG künftig dennoch derartig abgewandelte Akten zum KG schicken, behalte sich der Senat vor, eine Bearbeitung der Akten gänzlich abzulehnen.

Mit „anderen“ Eingängen arbeiten = unzumutbar?

Demnach kann es, nach Auffassung des KG, den Richtern nicht zugemutet werden, mit „anderen“ Eingängen zu arbeiten als von den Parteien eingereicht – auch, wenn es auf die fehlende Farbe im Einzelfall nicht ankommt. Abzuwarten bleibt, wie das Gericht dann die grundrechtsgleichen Verfahrensrechte der Beteiligten wahren will, wenn die Möglichkeit besteht, die Bearbeitung von Akten wegen Fehler des Gerichts (und nicht der Verfahrensbeteiligten) abzulehnen.

Außerdem stellt das KG in seinem Beschluss explizit auf die aktuelle Rechtsprechung des BVerfG zur Waffengleichheit im Verfügungsverfahren (GRUR-Prax 2020, 294) ab und fordert daher eine Beteiligung der Antragsgegnerin sowie eine mündliche Verhandlung über den Verfügungsantrag, damit den Parteien hier eben keine Instanz genommen wird.

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