Deutschland und USA: Sind Loot-Boxen illegales Glücksspiel?
Mikrotransaktionen werden bei Videospielen schon seit Jahren immer beliebter. Besonders beliebt sowohl bei Herstellern, als auch bei Spielern sind so genannte Loot-Boxen. Jetzt ist eine politische bzw. rechtliche Diskussion darüber aufgeflammt, ob es sich bei Loot-Boxen um illegales Glücksspiel handeln könnte.
Was sind Loot-Boxen?
Bei Loot-Boxen („Loot“ heißt auf deutsch „Beute“ oder „Raubgut“) handelt es sich um Behälter, in denen zufällige Spiel-Gegenstände enthalten sind. Meistens sind dies optische Aufbesserungen für Spieler-Avatare. Es kann sich aber auch um neue Fähigkeiten für Charaktere oder bessere Ausrüstungsgegenstände handeln.
Der Spieler kann diese Boxen in Spielen wie Overwatch oder Star-Wars Battlefront II sowohl durch Level-Ups im Spiel, als auch durch Bezahlung erhalten. Je höher das Level des Spielers wird, desto länger muss er bis zum nächsten Level-Up spielen und somit auch auf die nächste kostenlose Loot-Box warten.
Loot-Boxen können bei den meisten Spielen auch durch Bezahlung mit Geld oder mit einer In-Game-Währung erlangt werden. Die In-Game-Währung wiederum erhält der Spieler durch fortdauerndes Spielen des Spiels. Er kann sie aber auch gegen Zahlung einer echten Währung früher bekommen.
Gemeinsamkeiten von Glücksspiel und Loot-Boxen
Von Experten wird kritisiert, dass die „Jagd“ nach Loot-Boxen, ähnlich wie herkömmliches Glücksspiel, bestimmte Auswirkungen auf das menschliche Gehirn hat. Allein die Hoffnung auf einen möglichen „Gewinn“ bewirkt die Ausschüttung von Glückshormonen im menschlichen Körper. Ein tatsächlicher Gewinn verstärkt die Ausschüttung von Hormonen zwar, ist aber nicht zwingend notwendig. Diesen Mechanismus machen sich offenbar nicht nur traditionelle Glücksspiele, sondern auch die Erfinder der Loot-Boxen zunutze.
Ilegales Glücksspiel in Deutschland?
Loot-Boxen liegen nach der deutschen Rechtslage in einem Grenzgebiet zwischen § 284 StGB und erlaubten Kauftransaktionen innerhalb eines Spiels.
Illegales Glücksspiel ist jede öffentliche Veranstaltung von Glücksspiel, die nicht von den Behörden genehmigt wurde. Der Glücksspielbegriff ist nach der Rechtssprechung des BGH einheitlich zu § 3 Abs. 1 GlüStV auszulegen. Danach ist ein Glücksspiel immer dann gegeben, wenn eine Gewinnchance, die von einem zufälligen Ereignis abhängt gegen ein Entgelt angeboten wird. Mit Loot-Boxen kann die Chance auf den Erhalt von spielinternen Gegenstände erworben werden, die in einem dafür vorgegeben Rahmen durch das Zufallsprinzip bestimmt wird. Das Anbieten der Boxen in den Spielen ist öffentlich, sodass die Frage, ob es sich um illegales Glücksspiel nach § 284 StGB handelt, lediglich davon abhängt ob die Gegenstände in Spielen ein „Gewinn“ im Rechtssinne darstellen.
„Gewinn“ oder „wertloser“ Gegenstand
Ein „Gewinn“ wären diese Gegenstände nur dann, wenn sie einen nicht unerheblichen Vermögenswert darstellen würden.
Die Annahme eines Vermögenswertes ist in zwei Fällen denkbar. Einerseits wird ein Vermögenswert dann gegeben sein, wenn dieselben Gegenstände innerhalb des Spiels auch einzeln gegen ein Entgelt gekauft werden könnten, andererseits, wenn die Gegenstände auf Plattformen mit dem Einverständnis des Herstellers unter den Spielern gehandelt werden könnten.
Solche „Marketplaces“ werden gerade von großen Spiele-Plattformen, wie zum Beispiel Steam oder Origin betreiben, wobei die Spielehersteller selbst entscheiden können, ob sie ihre Gegenstände für den Handel freischalten. Sind diese beiden Möglichkeiten nicht gegeben, wird es sich nicht um einen Vermögenswert handeln, sondern lediglich um einen Gegenstand mit einem subjektiv-ideellen Wert. Ein etwaiger Verkauf der Gegenstände auf anderen Plattformen, für die der Hersteller nicht verantwortlich ist, kann diesem nicht zugerechnet werden.
Der Spielehersteller kann beide Alternativen, die potentiell zu einem illegalen Glücksspiel führen, ohne weitere Probleme verhindern. Inwiefern dies seinen wirtschaftlichen Interessen entspricht ist hingegen eine andere Frage.
Wie sieht die Rechtslage in den USA aus?
In den USA ist die Diskussion – insbesondere durch Stimmen konservativer Politiker – ebenfalls in den Fokus gerückt. Die amerikanische Rechtslage ist vor allem entscheidend, da viele Entwickler von Spielen in Amerika ihren Sitz haben. Die Spielehersteller richten sich daher größtenteils nach dem amerikanischen Recht, zumal sie in Amerika auch einen großen Teil ihres Absatzes erzielen.
Nach dem amerikanischen Recht wird Glücksspiel wie folgt definiert: „payment of price for the chance to win a prize“. Es muss also ein Preis gezahlt werden, um die Möglichkeit zu erhalten, einen Preis zu gewinnen. Ähnlich wie im deutschen Recht.
Allerdings ist im amerikanischen Recht anerkannt, dass auch die Gefahr bestehen muss, den gezahlten Preis vollständig zu verlieren. Gerade das ist bei Loot-Boxen nicht der Fall, der Spieler erhält immer einen Gegenwert für den gezahlten Preis. Dieser Gegenwert ist vielleicht oft nicht das, was der Spieler gerne gehabt hätte. Diese Wahrnehmung ist jedoch rein subjektiv. Jeder Spieler hätte zu jeder Zeit den einen oder anderen Gegenstand lieber oder er bevorzugt bestimmte Dinge für bestimmte Charaktere.
Wie diese Diskussion in den USA ausgehen wird, lässt sich anhand vergangener Fälle wie folgt vermuten.
Frühere Rechtssprechung
Bereits in den 1990er Jahren gab es eine Debatte darüber, ob es sich bei Baseball-Karten um illegales Glücksspiel handelt oder nicht. Die Hersteller der Sammelkarten fingen irgendwann an, ihren Karten-Packs goldene, besonders seltene Karten hinzuzufügen. Schon damals stellten Gerichte zur Beurteilung, ob es sich bei dem Angebot dieser Packs um Glücksspiel handeln könnte, darauf ab, dass der Käufer jedesmal einen Gegenwert erhält, wenn er die Kartenpackungen kauft, er also seinen Kaufpreis nie vollständig riskiert. Denselben Grundsätzen folgte die Rechtssprechung bei dem Verkauf von Pokemon-Sammelkarten. Ob sich diese Rechtssprechung durch den wachsenden politischen Druck ändern wird, bleibt abzuwarten.
Fazit und Ausblick
Während in den USA – soweit die Rechtslage nicht durch die Politik verändert wird – wohl kein Grund zur Sorge besteht, sollten die Spielehersteller in Deutschland Vorsicht walten lassen. Je nach Ausgestaltung der Loot-Boxen kann daraus rechtlich schnell ein illegales Glücksspiel werden. Die Grenzen des Glücksspiels sollten jedoch klar erkennbar bleiben. Wo fängt Glücksspiel an und wo hört es auf? Ist auch jeder Kauf von Gummibärchen im Supermarkt Glücksspiel, weil man hofft viele rote zu bekommen und mehrheitlich weiße erhält? Diese Art des Schutzes der Erwartungshaltung von Käufern kann nicht der Sinn der Regelungen zu illegalem Glücksspiel sein.
In den Niederlanden zeichnet sich jetzt die potentielle Entwicklung für Deutschland ab. Die niederländische Glücksspielbehörde hat einige Spieleentwickler aufgefordert ihre Loot-Boxen zu ändern. Bis Mitte Juni sollen die Spielehersteller dafür sorgen, dass die „Gewinne“ keinen wirtschaftlichen Wert mehr besitzen, ansonsten droht ein Verbot. Ähnlich könnten auch die deutschen Behörden verfahren, da sich die Rechtslage in den streitigen Punkten nicht unterscheidet.
Inwiefern das Verbot eines Features, welches sowohl vielen Spielern Freude bereitet, als auch im Interesse des Unternehmens ist, notwendig ist, bleibt offen. Unserer Meinung nach wäre es sinnvoll – insbesondere aus Jugendschutzgründen eine Regulierung vorzunehmen. Ob dies allerdings über das Strafrecht geschehen sollte, ist fraglich. Es sind einige andere Lösungsansätze denkbar, zum Beispiel die Schaffung eines neuen Fall auf der schwarzen Liste im Wettbewerbsrecht oder die Anpassung von USK-Freigaben.
So könnten auch Mitbewerber eine problematische Ausgestaltung von In-game-features über den Weg des Rechtsbruchs (§ 3a UWG) mittels Abmahnungen und einstweiligen Verfügungsverfahren sanktionieren ohne, dass ein Verstoß auch sofort den Staatsanwalt auf den Plan rufen würde.