European Esports Federation – ein (weiterer) Fortschritt für den Esport?
Deutschland schreibt wieder ein Stückchen mehr Esport-Geschichte. Denn am 21. Februar wurde Hans Jagnow, der Präsident des E-Sport-Bundes Deutschland (ESBD), fast einstimmig an die Spitze der neu gegründeten „European Esports Federation“ (EEF) gewählt.
Gerade erst sorgte die Ankündigung des einzigartigen, deutschen Esport-Visums für Schlagzeilen. Nun ist es die EEF, die unter deutscher Führung den Esport als Ansprechpartner für Politik, Verwaltung, Sportverbände sowie die Esport-Community voranbringen will.
Was zunächst einmal gut klingt, spaltet aber die Esport-Szene. Die EEF wird nicht von allen als Fortschritt für den Esport gesehen – was ist das los?
Neuer Fokus auf alten Themen
In den Räumen des Europäischen Parlamentes gegründet, soll die EEF auch ihren Sitz in Brüssel haben. Als Dachverband von 23 Mitgliedsorganisationen wollen konkrete Problemfelder angenommen werden. Auf der Agenda stehen bereits Themen wie Cheating, Doping, Match-Fixing, Hate-Speech und toxisches Verhalten im Netz. Eine Priorität wird das Thema Gender Equality haben. Alles Angelegenheiten, die bisher auf europäischer Esport-Ebene nur wenig Beachtung fanden.
Finanziert durch Mitgliedsbeiträge und vereinzelnde Unterstützungsgelder, gehören lediglich drei kommerzielle Anbieter – ESL Gaming, Esforce Holding, Burson Cohn & Wolfe – zu den Gründungsmitgliedern. Aus zu wenigen, behaupten einige der „eigentlichen“ Stakeholder wie PENTA Sports oder Complexity Gaming.
EEF „ohne“ Stakeholder
Die Gründung der EEF löst bei ihnen die empörte Frage aus, woraus sich die Legitimation der EEF und der einzelnen Verbände denn ergebe, überhaupt für den Esport sprechen zu dürfen? Die Frage ist nicht unberechtigt, denn wie bereits in zahlreichen unserer Artikel dargelegt, unterliegt der Esport einem komplexen Ecosystem, das überwiegend durch Publisher, Spielentwickler und Sponsoren geleitet wird. Selbst Spieler und Teams spielen hier eine untergeordnete Rolle, wenn sie nicht gerade an der Profispitze mitspielen. Deswegen müsste ihnen ein viel größeres Mitspracherecht zukommen.
Doch dem ist entgegen zu halten, dass gerade durch die Gründung von nationalen und internationalen Verbänden Esportler und ihre Teams mehr in den Vordergrund gerückt werden. Orientiert an dem traditionellem Sport, der sich ebenfalls autonom organisiert, ist es für die Etablierung von Esport als Sport unerlässlich, wirtschaftliche Interessen außen vorzulassen und die Interessen des Esportlers in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu zählt es auch, dem Esport eine organisierte Struktur zu geben, politische Impulse zu setzen und sich auch den Themen zu widmen, die in erster Linie nichts mit einem wirtschaftlichem Wachstum zu tun haben.
Werte und Integrität des Esports im Vordergrund
Durch die EEF kann ein starkes Netzwerk aufgebaut werden, das den Esport einheitlich repräsentiert und zukunftsorientiert Probleme löst. Ein Erfahrungsaustausch, der Ländergrenzen überschreitet, liefert Informationen und stärkt auch den wissenschaftlichen Transfer. Sobald einheitliche Regeln geschaffen werden, kann der europäische Boden für internationale Esport-Präsents attraktiv genutzt werden.
All das kann nur dazu beitragen, die Debatte, ob Esport Sport sei, zugunsten des Esports zu beantworten. Denn Fragestellungen zur Integrität, Anti-Doping, (sexualisierte) Gewalt und Korruption sind alles Themen, denen sich auch der traditionelle Sport annimmt – und nicht die Wirtschaft. Damit Esport als Sport anerkannt und eine gesetzliche Gleichstellung genießen kann, bedarf es einer solchen Organisation wie der EEF, die aus dem Esport selbst erwächst und „autonom“ für diesen spricht.
Gerade diese fehlende autonome Organisationsstruktur und das an Wirtschaftsinteresse orientierte Agieren werden immer wieder als Kritikpunkte des Deutsch Olympischen Sportbundes (DOSB) oder der Politik um die Frage der Anerkennung von Esport als (gemeinnützigen) Sport angeführt. Die Gründung des EEF ist also lediglich ein weiterer Meilenstein, der den Esport dem traditionellem Sport näher bringt.
EEF will alle mitnehmen
Die EEF versteht sich selbst als einen moderierenden Partner. Sie will alle Esport-Akteure gleichwertig zusammenbringen, um den Esport selbst auf allen Ebenen voranzubringen. Dazu zählt auch die ehrenamtliche Arbeit an der Basis, die im Schatten der Profiszene steht und vom Ecosystem nur weniger bis gar keine Aufmerksamkeit erntet.
Das ist lediglich ein Teil der Werte und Ziele, der sich die EEF annehmen will. In der Diskussion um eine gleichwertige Stellung des Esports mit dem traditionellem Sport, ist die Gründung der EEF allemal ein Fortschritt. Dass nun nicht mehr die ökonomischen Stakeholder im Mittelpunkt, sondern die Esportler selbst – von der Basis bis zum Profibereich – vertreten durch einzelne Verbände zu Wort kommen dürfen, ist nur ein logischer Schritt diesen Prozesses.