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BGH urteilt zum Gewinnvortrag bei GmbH-Alleingesellschaftern

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GmbH-Alleingesellschafter können entscheiden, Gewinn nicht auszuschütten, sondern auf neue Rechnung vorzutragen. Bislang war umstritten, wie dies insolvenzrechtlich zu behandeln ist. Der Bundesgerichtshof hat die Frage nun entschieden (BGH, Urteil v. 22. Juli 2022, Az. IX ZR 195/20).

Geklagt hatte ein Insolvenzverwalter gegen die alleinige Gesellschafterin einer Schuldnerin. Die Beklagte beschloss in der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin, den Jahresüberschuss auf neue Rechnung vorzutragen. Die Beklagte beschloss dann eine weitere Gewinnausschüttung und überwies der Schuldnerin 200.00 Euro. Die Vorinstanzen gaben der Klage auf Zahlung des Betrages an den Insolvenzverwalter statt, die Beklagte ging in Revision. Diese wies der BGH nun zurück.

Darlehensähnliche Forderungen unterliegen dem Nachrang

Die Gewinnausschüttung an die Beklagte in Höhe von 200.000 Euro unterliege als Rückführung einer einem Darlehen wirtschaftlich entsprechenden Forderung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 5 Insolvenzordnung (InsO) der Anfechtung. Laut den Vorschriften seien neben Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens auch Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, dem insolvenzrechtlichen Nachrang und damit der Insolvenzanfechtung unterworfen.

Wirtschaftliche Funktion von Geldgeschäften entscheidend

Entscheidend sei, dass der Gesellschaft „wie bei einem Darlehen“ zeitweise ein Kapitalwert zur Nutzung überlassen werde. Der Nachrang beruhe auf der Bereitschaft des Gesellschafters, Mittel zur Verfügung zu stellen. Dies richte sich nicht nach der rechtlichen Form von Geldgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, sondern nach der wirtschaftlichen Funktion des Geschäfts.

Schon früher entschied der BGH-Senat, dass eine darlehensgleiche Forderung gegeben ist, wenn durch einen Gewinnverwendungsbeschluss ein Anspruch eines Gesellschafters auf Ausschüttung des Gewinns der Gesellschaft begründet wird und die Gewinnforderung nicht zeitnah ausgeschüttet, sondern über einen längeren Zeitraum auf einem Kapitalkonto des Kommanditisten stehen gelassen wird.

Ausschüttung eines Gewinnvortrags darlehensgleiche Forderung?

In der Literatur und der obergerichtlichen Rechtsprechung ist streitig, ob auch die Ausschüttung eines Gewinnvortrags an einen Gesellschafter als Befriedigung einer darlehensgleichen Forderung zu qualifizieren ist und damit der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterliegt. Der IX. Zivilsenat des BGH hat diese Frage zuletzt offengelassen und jetzt entschieden, dass die Ausschüttung eines Gewinnvortrags an einen GmbH-Alleingesellschafter als Rückgewähr einer darlehensgleichen Forderung der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterliegt. Indem sich ein Gesellschafter bei einem Gewinnverwendungsbeschlusses entscheide, Jahresgewinn nicht auszuschütten, sondern auf neue Rechnung vorzutragen, treffe er wie bei der Gewährung eines Darlehens eine Finanzierungsentscheidung zugunsten der Gesellschaft.

Darlehensähnliche Liquidität durch Gewinnvortrag

Gemäß § 29 Abs. 2 GmbH-Gesetz (GmbHG) kann ein Gesellschafter im Gewinnverwendungsbeschluss Gewinn auf das nächste Geschäftsjahr vortragen. Der Gewinnvortrag steht mit dem Ergebnis des nächsten Geschäftsjahrs im Rahmen des neuen Gewinnverwendungsbeschlusses wieder zur Disposition der Gesellschafter, ohne dass es der vorherigen Auflösung durch Gesellschafterbeschluss bedarf.

Der Gesellschafter überlasse der Gesellschaft beim Vortrag des Gewinns auf neue Rechnung wie bei einem Darlehen vorübergehend Liquidität, so der BGH in seinem Urteil. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise mache es bei einem GmbH-Alleingesellschafter keinen Unterschied, ob ein Gewinn erst an den Gesellschafter ausgeschüttet und anschließend wieder als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung gestellt werde oder der Gewinn gemäß § 29 Abs. 2 GmbHG auf neue Rechnung vorgetragen werde. Stets stünden die Mittel der Gesellschaft zum Wirtschaften oder zur Vornahme von Investitionen zur Verfügung.

Da die Rechtsfrage in Literatur und Rechtsprechung lange umstritten war, haben GmbH-Alleingesellschafter, die Gewinn nicht ausgeschüttet haben, nun endlich mehr Rechtssicherheit.

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