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Amazon und Schutzrechtsmissbrauch

Was tun, wenn die Konkurrenz zu Unrecht Angebote bei Amazon meldet?

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Amazon stellt für zahlreiche Händler den primären Marketplace für den Absatz ihrer Produkte dar. Die Plattform bringt eine enorme Reichweite mit sich und das Verfahren ist für die Händler einfach und unkompliziert. Zudem schützt die Plattform ihre Händler, indem sie Beschwerdewege zur Verfügung stellt und unrechtmäßige Produktangebote umgehend sperrt.

Als auf den Gewerblichen Rechtsschutz spezialisierte Kanzlei begrüßen wir, dass auch Amazon immer stärker gegen Verletzungen von Schutzrechten vorgeht.

Gleichzeitig sind die eingeführten Tools brandgefährlich für Missbrauch. Der Markt auf Amazon ist hart umkämpft, sodass Mitbewerber immer öfter auf die Möglichkeiten der Schutzrechtsverwarnung über Amazon zurückgreifen. Doch was passiert, wenn nicht das Produktangebot, sondern die Meldung unrechtmäßig ist?

Was ist eine Schutzrechtsverwarnung?

Als Schutzrechtsverwarnung werden solche Abmahnungen bezeichnet, deren Vorwurf auf die Verletzung eines Schutzrechts gestützt wird. Schutzrechte können u.a. Marken, Unternehmenskennzeichen, Werktitel, Designs, Urheberrecht, Patente und Gebrauchsmuster sein.

Eine Schutzrechtsverwarnung setzt sich regelmäßig aus den folgenden Elementen zusammen:
– Hinweis auf das Schutzrecht, z.B. auf die Marke
– Aufzeigen der beanstandeten Verletzungshandlung
– Ernsthafte Aufforderung zum Unterlassung
– Androhung von gerichtlichen Schritten für den Fall, dass die geltend gemachten Forderungen nicht erfüllt werden
– Zusätzlich kann eine Schutzrechtsverwarnung die folgenden Punkte enthalten, die jedoch auch in einem weiteren Schreiben geltend gemacht werden könne:
o Aufforderung zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten
o Aufforderung zur Erteilung von Auskunft, um Anspruch auf Schadensersatz zu beziffern

Abzugrenzen ist eine Schutzrechtsverwarnung von einer – immer zulässigen – Berechtigungsanfrage. Dieser fehlt es an einem ernsthaften und endgültigen Unterlassungsbegehren. Sie dient vielmehr dem Zweck der Aufklärung des Sachverhalts.

Wann ist eine Schutzrechtsverwarnung unberechtigt?

Eine Schutzrechtsverwarnung ist unberechtigt, wenn entweder kein Schutzrecht besteht, das Schutzrecht löschungsreif ist, das Schutzrecht gar nicht verletzt wurde oder die Abmahnung formal oder inhaltlich fehlerhaft ist. Stellt das Gericht fest, dass die Schutzrechtsverwarnung unberechtigt war, hat der Geschädigte einen Anspruch auf Unterlassung, das heißt, der unberechtigt Abmahnende muss eine Unterlassungserklärung abgeben, und unter bestimmten Voraussetzungen sogar einen Anspruch auf Schadensersatz.

Wie erfolgen Schutzrechtsverwarnungen auf Amazon?

Neben der klassischen schriftlichen Schutzrechtsverwarnung sind auf Amazon weitere Wege eröffnet, Schutzrechtsverletzungen anzuzeigen, die weniger zeitaufwändig sind und in der Regel jedenfalls kostengünstiger erscheinen.

Das Landgericht München I hat bestätigt, dass unberechtigte Schutzrechtsverletzungsanzeigen gegenüber Amazon nach den Grundsätzen der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung behandelt werdne (LG München, Urteil v. 14.10.2021 – Az. 7 O 12732/20). Dem folgte zuletzt auch das Landgericht Düsseldorf (Beschl. v. 02.07.2024 – Az. 2a O 113/24).

Schutzrechtsverletzungsanzeigen über das Amazon Infringement Verfahren

Am nächsten an der klassischen schriftlichen Schutzrechtsverwarnung ist die Meldung einer Schutzrechtsverletzung über das von Amazon formularmäßig angebotene Infringement Verfahren. Bietet ein Konkurrent auf Amazon ein Produkt an, das ein Unternehmen in seinen Rechten verletzt, bietet Amazon die Möglichkeit, über ein standardisiertes und automatisiertes „Amazon Infringement Verfahren“ gegen diesen Konkurrenten vorzugehen.

Dafür hält Amazon ein Beschwerdeverfahren bereit, durch das gegenüber der Plattform eine Rechtsverletzung gerügt werden kann und woraufhin Amazon die gemeldeten ASINs (Amazon Standard Identification Number, entspricht einer Produktidentifikationsnummer) sperrt. Diese Sperrung erfolgt meist ohne vorherige Prüfung des Sachverhalts durch Amazon. Regelmäßig folgen weitere Sperrungen von ASINs, die nicht unmittelbar von der Beschwerde betroffen sind. Der (ggf. nur vermeintliche) Verletzer wird lediglich über die Sperrung aufgrund einer Verletzung von Schutzrechten Dritter informiert.

Schutzrechtsverwarnung auf Amazon durch Nutzung der Brand Registry

— Was ist Brand Registry?

Die ‚Brand Registry‘ ist ein von Amazon angebotenes Tool, durch das Händler ihr Geistiges Eigentum schützen können. Konkret können – ausschließlich – Markeninhaber gegenüber Amazon durch Vorlage ihrer Eintragungsurkunden ihre Schutzrechte registrieren lassen. Vorteil einer solchen Registrierung ist, dass es dem Schutzrechtsinhaber vereinfacht wird, gegen Rechtsverletzungen durch andere Dritthändler vorgehen kann. Amazon verspricht, mithilfe von machine learning bereit im Vorhinein proaktiv gegen Fälschungen vorgehen zu können, sodass Verletzerprodukte möglichst gar nicht erst auf den Markt gelangen.

Bei mehrfachem erfolgreichem Vorgehen können Nutzer dieser Brand Registry auch eine Art Upgrade auf das Tool „Amazon project zero“ erhalten, durch welches es ihnen ermöglicht wird, mutmaßliche Fälschungen aus dem Amazon-Shop zu entfernen, ohne dass Amazon selbst noch involviert werden muss. Mithilfe von machine learning will Amazon bereits im Vorhinein verhindern, dass verletzende Produkte gehandelt werden.

— Beispiel aus dem Alltag einer Kanzlei für Marken, Medien und Wettbewerb für eine rechtswidrige Nutzung der Brand Registry

Diese Möglichkeit nutzte vor kurzem ein Mitbewerber unserer Mandantin in rechtswidriger Weise. Er zeigte gegenüber Amazon eine Schutzrechtsverletzung durch unseren Mandanten an, weil dieser eine rein beschreibende Bezeichnung in seiner Produktpräsentation nutzte, die der Mitbewerber für ähnliche Produkte angemeldet hatte.

Problematisch an dieser Meldung ist jedoch, dass die – eingetragene – Marke zwar für ähnliche Produkte, aber keinesfalls als Marke für das streitgegenständliche Produkt hätte eingetragen werden können. Dem Markeninhaber war aufgrund eines vorausgegangenen Verfahrens gegen einen dritten Wettbewerber vor dem EUIPO bewusst, dass das streitgegenständliche Produkt nicht vom Schutzumfang seiner Marke erfasst ist. Zusammengefasst hat der Markeninhaber eine Schutzrechtsverletzung gegenüber Amazon behauptet, die schon rein formal aufgrund ihres rein beschreibenden Charakters keine Verletzung sein kann. Eine markenmäßige Verwendung lag daher schon nicht vor, auf eine Verwechslungsgefahr kommt es folglich gar nicht erst an.

Das Landgericht Düsseldorf bestätigte diese Auffassung im einstweiligen Verfügungsverfahren. Ein markenrechtliche Schutz könne auch nicht dafür angemeldet werden, dass eine Marke für ähnliche Produkte angemeldet wird, um sich anschließend darauf zu berufen, dass eine Warenähnlichkeit vorliegt und der Markenschutz so auf ein Produkt ausgedehnt werden könnte, welches nach den gesetzlichen Vorschriften gar nicht ins Register hätte eingetragen werden dürfen. Dies würde zu einer unzulässigen Umgehung von Artikel 7 Abs. 1 lit. c) UMV führen (LG Düsseldorf, Beschluss v. 02.07.2024 – Az. 2a O 113/24).

Wie auch durch das gegnerische Unternehmen werden solche Schutzrechtsverletzungsanzeigen, teilweise im großen Stil, dazu verwendet, konkurrierende Unternehmen vom Markt zu verdrängen. Insbesondere mit dem Wissen, dass auch eine solche unberechtigte Anzeige unmittelbar zu einer Sperrung der Konkurrenzangebote führt, handeln diese Unternehmen missbräuchlich. Es ist zu begrüßen, dass die Rechtsprechung die Grundsätze einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung auch auf diese Meldemöglichkeiten ausweitet.

Schutzrechtsverwarnung auf Amazon durch rechtsmissbräuchliche Meldung von Verletzung von Schutzrechten Dritter bei Anhängen an ASIN

— Was ist das Anhängen von ASINs?

Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei der ASIN um eine Amazon-interne Produktidentifikationsnummer. Für jedes Produkt gibt es nur eine ASIN. Das bedeutet, dass der erste Anbieter eines Produkts von Amazon eine ASIN zugeteilt bekommt und sich jeder weitere Händler, der dasselbe Produkt auf der Plattform vertreiben möchte, an diese ASIN „anhängen“ kann. Dazu muss man wissen, dass Amazon bemüht ist, für jedes Produkt möglichst nur ein Angebot auf der Plattform bereitzuhalten, an das sich dann alle Händler “anhängen” können, die dieses Produkt ebenfalls anbieten möchten, um für die Kunden größtmögliche Transparenz und das bestmögliche Einkaufserlebnis zu gewährleisten. Dadurch entsteht ein Konkurrenzkampf, der – wie es auch eigentlich sein sollte – nur über den Preis entschieden wird. Der Verkäufer mit dem besten Angebot erhält die sog. Buybox und wird als Verkäufer angezeigt. Voraussetzung für die Berechtigung zum Anhängen ist, dass es sich um genau dasselbe Produkt handelt.

Die Möglichkeit des Anhängens bietet wiederum durch aus Missbrauchsmöglichkeiten – sowohl auf Seiten des Anhängenden als auch auf Seiten desjenigen, der erstmals die ASIN erstellt hat:

• Es kann beispielsweise vorkommen, dass ein Ersthändler über seine ASIN ein Markenprodukt vertreibt, während ein angehängter Händler dasselbe Produkt als no-name Artikel vertreibt. In diesem Fall verletzt der angehängte Händler die Markenrechte des Ersthändlers und täuscht den Rechtsverkehr über die Herkunft seiner Ware. Eine Ausnahme herrscht, wenn unter einer ASIN zunächst Produkte unter einer Gattungsbezeichnung vertrieben wurden und im Nachhinein eine bestimmte Marke in die Beschreibung hinzugefügt wurde. Den angehängten Händler trifft dann jedoch auch die Pflicht, seine Angebote regelmäßig zu überprüfen, um solch einen Fall zu vermeiden (OLG Hamm, Urteil v. 19.07.2011 – Az. I-4 U 22/11).

• Nutzt der Ersthändler unter der ASIN urheberrechtlich geschützte Werke, z.B. selbst aufgenommene Bilder, stellt das Anhängen an eine ASIN die Verletzung des Urheberrechts dar.

• Des Weiteren kann das Anhängen an eine bestehende ASIN auch wettbewerbswidrig sein. Dies ist in dem eben genannten Fall zu bejahen, wenn der Händler durch das Benutzen einer fremden ASIN über die Herkunft seiner Produkte täuscht. Beispielsweise stellt die Lieferung eines vom Angebot abweichenden Produkt eine Irreführung dar (OLG Hamm, Urteil v. 19.07.2011 – Az. I-4 U 22/11).

• Problematisch bei diesem Vorgehen des „Anhängens“ erweist sich zudem, dass die Schreibrechte für die Produktdokumentation ggf. nicht bei dem Verkäufer liegen, sondern bei demjenigen, der die ASIN erstmalig eingerichtet hat. Grundsätzlich ist von Amazon vorgegeben, dass das Grundangebot solcher ASINs nicht geändert werden darf. Z.B. darf der ursprüngliche ASIN-Ersteller nicht plötzlich Bundles unter einer ASIN anbieten, unter der zuvor lediglich Einzelprodukte angeboten wurden.

— Beispiel aus dem Alltag einer Kanzlei für Marken, Medien und Wettbewerb für eine rechtswidrige Änderung der ASIN um ein Anhängen zu vermeiden

• Ein Mitbewerber unserer Mandantin nutzte seine Schreibrechte dazu, ein ursprünglich als Einzelprodukt angebotenes Produkt, als Doppelpack zu vermarkten. Während der Mitbewerber seine Preise anpasste, unsere Mandantin jedoch nicht über die Änderungen der Produktseite informierte, sah diese sich plötzlich einer Vielzahl von Bestellungen gegenüber, in denen die Kunden erwarteten, zwei Produkte zum Preis von einem zu bekomme. Unserer Mandantin fiel dies frühzeitig auf. Sie konnte die eingegangenen Bestellungen stornieren und wir konnten eine Unterlassungserklärung von dem schädigenden Mitbewerber erwirken.

• Auf den ersten Blick unüblich erscheint unser zweites Beispiel: Unsere Mandantin wurde durch den Hersteller der Ware wegen eines unrechtmäßigen Anhängens an die Angebote angezeigt, obwohl unsere Mandantin die Produkte des Herstellers als lizensierter Online-Händler über Amazon vertreibt. Auch hier begründete der Hersteller die Anzeige mit einer vermeintlichen Verletzung seines Geistigen Eigentums, was aufgrund der Lizenz unseres Mandanten auszuschließen war. Das Landgericht Düsseldorf entschied, dass auch eine unzulässige Schutzrechtsverwarnung durch den Hersteller eine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers darstelle und der Hersteller damit wettbewerbswidrig gehandelt habe (LG Düsseldorf, Beschluss v. 08.11.2024 – Az. 34 O 37/24).

Ob das Anhängen an eine bestehende ASIN rechtmäßig ist, sollte deshalb immer im Einzelfall anwaltlich geprüft werden. LHR Rechtsanwälte unterstützt Sie dabei gerne.

Wie geht es weiter, wenn ich eine Schutzrechtsverwarnung erhalten habe?

In einem ersten Schritt ist es wichtig, herauszufinden, wer Initiator der Meldung ist und auf welcher Grundlage dieser erfolgte. Regelmäßig teilt Amazon dies dem – ggf. nur mutmaßlichen – Verletzer mit. Fehlt diese Information, gilt es zunächst, den Initiator zu ermitteln. In einem weiteren Schritt ist die Zulässigkeit der Produktsperrung zu überprüfen.

Schalten Sie schnellstmöglich einen Anwalt ein, der die Vorwürfe für Sie prüft. LHR Rechtsanwälte hilft Ihnen dabei, binnen kurzer Zeit außergerichtlich oder im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen das verletzende Unternehmen vorzugehen und die Produktseiten zu entsperren.

Vorsicht bei der vorschnellen Meldung von Wettbewerbern bei Amazon!

Aus unserer Erfahrung mit diesen Fällen raten wir deshalb zu besonderer Vorsicht! Die vermeintliche Anonymität auf der Plattform verleitet schnell zu unüberlegtem Verhalten. Lassen Sie sich bereits vor der Erstattung einer Schutzrechtsverletzungsanzeige auf Amazon anwaltlich beraten, da sie im Falle einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung nicht nur Unterlassungsansprüche, sondern auch Schadensersatzansprüche Ihres Gegners als Konsequenz zu befürchten haben.

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