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Künstliche Intelligenz und Persönlichkeitsrecht

Welche Schutzmöglichkeiten gibt es?

Die voranschreitende Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) und die neuen technischen Möglichkeiten zur Generierung von Bildern, Videos, Stimmen, Musik etc. bringen große Herausforderungen mit sich. Mittlerweile kann man jede beliebige Person im digitalen Format Dinge tun oder sagen lassen, die diese Person niemals selbst getan oder gesagt hat. Hiermit können erhebliche Rufschädigungen verbunden sein oder anderweitige negative wirtschaftliche Folgen, wenn etwa ein Schauspieler ohne sein Wissen mit seinem Gesicht oder seiner Stimme in Werbung auftaucht, für die er nicht bezahlt wurde.

Aber wie können sich betroffene Personen gegen die Verwendung ihrer äußeren Erscheinung oder Stimme in Inhalten, die komplett durch oder mit Hilfe von KI erstellt wurden, rechtlich zur Wehr setzen? Dieser Beitrag betrachtet verschiedene Konstellationen in denen Persönlichkeitsrechte durch den Einsatz von KI verletzt sein könnten und ordnet diese in den Kontext des deutschen und europäischen Rechts ein.

Was ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht?

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit jedes Einzelnen und wird aus den Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet. Es umfasst verschiedene Rechte, die den Menschen als Individuum im Ausdruck seiner Persönlichkeit schützen sollen und in unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen zu finden sind. Zivilrechtlich wird es über § 823 BGB geschützt. Grundsätzlich ist nicht jede Beeinträchtigung zugleich eine Verletzung dieser Rechte, sondern ist immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig und bedarf gegebenenfalls einer Abwägung mit anderen Grundrechten, wie etwa der Meinungs-, Presse- oder Kunstfreiheit.

Zu den Persönlichkeitsechten zählen:

Das Recht am eigenen Bild

Die individuelle äußere Erscheinung einer Person wird dadurch geschützt, dass diese grundsätzlich darüber verfügen können soll, ob und wie Bildnisse von ihr verwendet werden dürfen. Diesem Recht wird primär über den Einwilligungsvorbehalt in § 22 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG) Geltung verliehen.

Das Recht an der eigenen Stimme

Das Recht einer Person, zu bestimmen, wie ihre Stimme von Dritten verwendet werden kann, ist ebenfalls vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst. Die Stimme erhält wegen ihres einzigartigen, durch physische Faktoren sowie sozialer Prägung geformten Charakters neben dem ideellen auch einen wirtschaftlichen Wert, der geschützt werden soll (vgl. etwa BGH NJW 2000, 2195 – Marlene Dietrich; OLG Hamburg 08.05.1989 3 W 45/89 – Heinz Erhardt).

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Hierdurch wird dem Einzelnen das Recht gewährt grundsätzlich über die Erhebung und Verarbeitung seiner personenbezogener Daten zu entscheiden. Es wird neben dem deutschen Recht vor allem durch europäisches Recht in Art. 8 der Grundrechte-Charta der Union (GRCh) und der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) geschützt.

Postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz

Persönlichkeitsrechte erlöschen nicht automatisch mit dem Tod einer Person, sondern können durch dessen Erben auch danach geltend gemacht werden, wobei das Schutzniveau mit der Zeit abnimmt.

Beeinträchtigungen durch Einsatz von KI und rechtliche Schutzmöglichkeiten

In besonderem Fokus stehen beim Einsatz von KI das Recht am eigenen Bild und das Recht an der eigenen Stimme, die durch die Generierung fotorealistischer Abbildungen realer Personen oder täuschende Nachahmung menschlicher Stimmen beeinträchtigt sein könnten.

Veröffentlichung von Deepfakes oder KI-generierter Bilder oder Videos

Werden sogenannte Deepfakes, also mithilfe von KI manipulierte Bilder oder Videos, in denen Gesichter bestimmter Personen nachträglich eingefügt oder verändert wurden oder komplett KI-generierte Foto- oder Filmdateien, in denen aufgrund der Eingabe von „Prompts“ absichtlich oder zufällig die äußeren Merkmale realer Personen wiedergegeben werden, erstellt, drängt sich die Frage auf, ob sich die „gezeigten“ Personen gegen eine Veröffentlichung wehren können. Hierbei steht eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild im Raum.

Maßgeblich für die Anwendbarkeit des § 22 KUG ist, ob Bild- oder Videomaterial, das durch KI-generiert wurde, als Bildnis einer Person anzusehen ist und demnach nur mit Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden darf. Klassischer Fall von Abbildungen sind Aufnahmen von echten Personen durch eine Kamera. In Fällen von KI-Bildern werden jedoch gerade keine echten Personen aufgenommen, sondern Personen digital „reproduziert“. Der BGH hat allerdings in einer neueren Entscheidung zur Darstellung einer Person durch einen Doppelgänger oder „Lookalike“ ausgeführt, dass in solchen Fällen ein Bildnis der dargestellten Person dann vorliegt, wenn zumindest für einen nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Publikums der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst (BGH NJW 2022, 1676 – Tina Turner). Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Fall eines „KI-Doppelgängers“, der für einen nicht unerheblichen Teil des Publikums erkennbar eine echte Person darstellt, kommt man zum selben Ergebnis, dass auch die KI-generierten Bilder und Videos bei ausreichender Ähnlichkeit Bildnisse nach § 22 KUG sein können.

Somit bedarf es zur Veröffentlichung solcher KI-generierten Inhalte grundsätzlich der Einwilligung der dargestellten Person. Werden Bilder oder Videos ohne dessen Einwilligung veröffentlicht, können Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, sowie bei Verschulden auch Schadensersatzansprüche gegen die veröffentlichende Person geltend gemacht werden.

Einspeisen von Bildern und Videos in KI-Programm

Werden Bilder oder Videos von echten Personen einer KI zur Verfügung gestellt um sie zu trainieren, werden personenbezogene Daten verarbeitet. Demnach finden die Regeln der DS-GVO Anwendung. Hierzu können Sie gerne mehr auf unserer Themenseite zum Thema Künstliche Intelligenz und Datenschutz nachlesen.

Verwendung der menschlichen Stimme

Wie bereits dargelegt, genießt auch die menschliche Stimme, in ideeller sowie wirtschaftlicher Hinsicht, einen Persönlichkeitsrechtsschutz. Wird die Stimme einer Person, etwa aus für ein Hörbuch eingesprochenen Aufnahmen oder sonstigen Quellen in eine KI gespeist, liegt ebenfalls eine Datenverarbeitung vor, sodass hier auch die Vorschriften der DS-GVO mit ihren speziellen Anspruchsgrundlagen Anwendung finden.

Werden mittels KI Texte durch eine Stimme gesprochen, die ursprünglich von einer echten Person stammt oder eine Stimme generiert, die genauso klingt wie die Stimme eines realen Menschen, so könnten bei der Veröffentlichung ohne Einwilligung ebenfalls Unterlassungs-, Beseitigungs- und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche entstehen. Aus den Grundsätzen der Rechtsprechung, wonach die Verwendung oder Imitation der Stimmen von berühmten Persönlichkeiten zu wirtschaftlichen Zwecken ohne Einwilligung eine Verletzung des Rechts an der eigenen Stimme darstellt (BGH NJW 2000, 2195 – Marlene Dietrich; OLG Hamburg 08.05.1989 3 W 45/89 – Heinz Erhardt), lässt sich ableiten, dass auch der Einsatz einer KI-generierten Stimme, die eine echte Stimme digital imitiert, das Persönlichkeitsrecht verletzen kann.

Demnach muss beispielsweise eine berühmte Sängerin nicht hinnehmen, dass mit „ihrer Stimme“ Songs durch KI generiert und veröffentlicht werden oder ein Schauspieler, dass sein guter Ruf durch Werbung für fragwürdige Produkte, die mit einer KI-Imitation seiner Stimme vertont wird, ausgenutzt wird. Aber auch Personen, die normalerweise nicht in der Öffentlichkeit stehen, können sich dagegen wehren, dass ihre Stimme durch KI reproduziert und verwendet wird.

Außerhalb des deutschen oder europäischen Rechts gab es kürzlich ein weltweit erstes gerichtliches Urteil aus Peking, in dem die Generierung einer KI-Stimme auf Grundlage einer echten Stimme ohne ausdrückliche Erlaubnis als Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht festgestellt wurde und Schadensersatzansprüche auslöste. Das Urteil zeigt sowohl die internationale Relevanz der Thematik, als auch die ähnliche Rechtsauffassung zum deutschen Recht.

Ausblick: KI-Verordnung der EU

Auf europäischer Ebene wird der sogenannte AI Act als erstes Gesetz betreffend KI in naher Zukunft eingeführt werden. In seinem endgültigen Entwurf finden sich auch für das Persönlichkeitsrecht relevante Regelungen. So werden Verwender von KI, die Bilder-, Audio- oder Videoinhalte erzeugen oder manipulieren, die Deepfakes darstellen, zukünftig offenlegen, dass die entsprechenden Inhalte künstlich erzeugt oder manipuliert wurden. Seien die Inhalte Teil eines „offensichtlich künstlerischen, kreativen, satirischen, fiktionalen oder analogen Werks oder Programms“, so würde die Pflicht zur Offenlegung sich auf eine Art beschränken, die Darstellung oder Genuss des Werks nicht beeinträchtige.

Hierdurch werden vor allem Konsumenten solcher Inhalte vor einer Irreführung geschützt werden. Ob das Persönlichkeitsrecht hierdurch gestärkt werden wird, ist allerdings zu bezweifeln. Auch die Art und Weise der praktische Umsetzung der Offenlegungspflicht ist noch unklar.

Rechtssichere Verwendung von KI-Bildern und Stimmen

Wie bereits dargelegt sind die Persönlichkeitsrechte, insbesondere das eigene Bild und die eigene Stimme, grundsätzlich auch beim Einsatz von KI geschützt. Gleichzeitig ist das wirtschaftliche Interesse von Unternehmen an der Verwendung KI-generierter Inhalte mit berühmten Gesichtern oder Stimmen groß. Aber auch Künstler und andere Persönlichkeiten erkennen die neuen Möglichkeiten zur Vermarktung ihrer Persönlichkeit und Reichweite.

Um eine rechtssichere und für beide beteiligten Parteien vorteilhafte Verwendung der KI-Inhalte zu gewähren, kommt es im Einzelfall darauf an, dass Nutzungsverträge klar ausgehandelt werden und genau festlegen, welche Nutzungen vorgesehen sind und welche Tragweite hiermit verbunden ist. Die Rechtsanwälte von LHR entwerfen und prüfen für ihre Mandanten entsprechende Verträge und stehen Ihnen beratend zur Seite. Somit ermöglichen wir Unternehmen den rechtssicheren Einsatz von KI beim Erstellen ihrer Inhalte einerseits und garantieren andererseits den Persönlichkeitsschutz und die angemessene Vergütung der Personen, die ihr „digitales Double“ zur Verfügung stellen.

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