Der Geschäftsführer einer GmbH ist für deren geschäftliche Leitung verantwortlich. In erster Linie muss er die GmbH-Geschäfte sorgfältig ausführen. Verletzt er diese Obliegenheit, so haftet er gegenüber der Gesellschaft für den ihr entstandenen Schaden solidarisch (§ 43 Abs. 2 GmbHG). Auch strafrechtlich kann der Geschäftsführer etwa wegen Untreue gem. § 266 StGB haften, wenn er seiner Gesellschaft vorsätzlich Nachteil zufügt.
Verletzt aber die Gesellschaft Rechte Dritter, so haftet zivilrechtlich auch diese vorrangig. Dennoch kann die zivilrechtliche Haftung eines Geschäftsführers im Außenverhältnis, also gegenüber Dritten, in Betracht kommen.
In der Vergangenheit haftete bei Verstößen einer Gesellschaft gegen das Urheber-, Wettbewerbs- oder Markenrecht neben der Gesellschaft grundsätzlich auch ihr Geschäftsführer persönlich (vgl. BGH, Urteil v. 26.09.1985, Az: I ZR 86/83). Haftungsbegründender Umstand war die bloße Kenntnis des Geschäftsführers von den Rechtsverletzungen.
Diese Haftung war automatisch bei jeder Handlung oder Unterlassung des Unternehmens gegeben, eine Art „Selbstläufer“. 2014 beendete der BGH diesen Automatismus (BGH, Urteil v. 18.6.2014 , Az: I ZR 242/12).
Für den Markeninhaber heißt dies: Verletzt eine Gesellschaft seine Markenrechte, kann er nicht in jedem Fall auch deren Geschäftsführer in Anspruch nehmen.
Übersicht
- Das Leitsatzurteil des BGH aus dem Jahre 2014
- Voraussetzungen der zivilrechtlichen Geschäftsführerhaftung nach dem BGH
- Die Auswirkung der BGH-Rechtsprechung auf das Markenrecht: Höhere Anforderungen an die Geschäftsführerhaftung
- Wie es sich im Markenrecht verhält: Die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf
- Unsere Leistungen zum Thema Markenrecht
Das Leitsatzurteil des BGH aus dem Jahre 2014
1. Der Geschäftsführer haftet für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft nur dann persönlich, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße auf Grund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen.
2. Allein die Organstellung und die allgemeine Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb begründen keine Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern.
3. Der Geschäftsführer haftet allerdings persönlich auf Grund einer eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, wenn er ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt hat.
Voraussetzungen der zivilrechtlichen Geschäftsführerhaftung nach dem BGH
Es gilt nunmehr, zwischen Verhaltensunrecht und Erfolgsunrecht zu trennen. Der Geschäftsführer haftet, wenn er als Täter oder Teilnehmer durch Tun oder Unterlassen eine Markenrechtsverletzung verursacht hat (Verhaltensunrecht). Er haftet aber auch als Störer, wenn er zur Verletzung absoluter Rechte in irgendeiner Weise beigetragen hat (Erfolgsunrecht).
Täterschaft oder Teilnahme nach den im Strafrecht entwickelten Grundsätzen
Für die Frage, ob der Geschäftsführer für eine deliktische Handlung der Gesellschafter als Mittäter oder Teilnehmer zivilrechtlich haftet, sind die im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätze heranzuziehen. Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für deliktische Handlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung danach nur, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er sie aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (Verhaltensunrecht).
Störerhaftung
Darüber hinaus beurteilt sich die zivilrechtliche Haftung für die deliktische Handlung eines Dritten nach den Grundsätzen der Störerhaftung (Erfolgsunrecht). Danach muss der Geschäftsführer weder Täter noch Teilnehmer sein. Es reicht aus, wenn er in irgendeiner Weise zur Verletzung absoluter Rechte beiträgt. Erforderlich ist eine willentliche und adäquat kausale Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten. Unterstützt etwa der Geschäftsführer eine markenrechtliche Verletzung eines eigenverantwortlich handelnden Gesellschafters oder macht er sich diese Verletzung zunutze, kann er auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dabei gilt weiterhin die Einschränkung, dass er die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Zur Beurteilung der Rechtslage ist eine Einzelfallabwägung vonnöten, wobei Verantwortungsbereich und Aufgabenkreis des Geschäftsführers zu berücksichtigen sind.
Unterschiede zwischen beiden Haftungsarten
Der Unterschied zwischen beiden Sachverhalten: Ein Störer haftet anders als ein Täter oder Teilnehmer nicht wegen Verletzung von Verhaltenspflichten, sondern nur bei der Verletzung absoluter Rechte. Auch in der Art der Haftung besteht ein Unterschied. Während der Täter bzw. Teilnehmer auf Schadensersatz haftet, haftet der Störer auf Unterlassung. Zur Beurteilung der Frage, ob die jeweiligen marken- oder wettbewerbsrechtlichen Vorschriften absolute Rechte schützen, bedarf es der Prüfung des Einzelfalls.
„Die schlichte Kenntnis von Rechtsverletzungen scheidet als haftungsbegründender Umstand aus. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich, dass die Rechtsverletzung auf einem Verhalten beruht, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten ist. Dazu rechnen Maßnahmen, über die typischerweise auf Geschäftsführerebene entschieden wird.“
Die Auswirkung der BGH-Rechtsprechung auf das Markenrecht: Höhere Anforderungen an die Geschäftsführerhaftung
In dem eben dargestellten Urteil des BGH ging es um § 8 UWG, also um Wettbewerbsverstöße. Dennoch gilt auch bei Kennzeichenverletzungen, dass der Geschäftsführer nicht bereits dann haftet, wenn er von diesen Kenntnis hatte und sie nicht verhinderte. Diese Grundsätze hat das OLG Düsseldorf in einem Fall auf dem Gebiet des Markenrechts ( OLG Düsseldorf, Urteil v. 10.11.2015, Az: I-20 U 26) aufgegriffen und angewendet.
Wie es sich im Markenrecht verhält: Die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf
Die Klägerin nahm sowohl das beklagte Unternehmen als auch dessen Geschäftsführer wegen Markenrechtsverletzungen durch Etikettierung von Pflasterartikeln mit der Marke X® in Anspruch. Die Beklagten hatten die fraglichen Aufkleber mit Anschrift, Pharmazentralnummer der GmbH und einen Barcode nicht ohne vorherige Anzeige an die Beklagte in Verkehr bringen dürfen. Nach § 24 Abs. 2 MarkG hätte sich die Klägerin nämlich dem Vertrieb der Medizinartikel unter diesen Umständen widersetzen können.
Dabei wurden die beklagte GmbH und deren Geschäftsführer auf die Zahlung von Abmahngebühren, sowie zum Rückruf mit anschließender Vernichtung des in Frage stehenden Produkts verurteilt. Daraufhin wendeten sich die Beklagten an das OLG. Einer der zentralen Streitpunkte betraf dabei die persönliche Haftung des Geschäftsführers neben seiner GmbH. Das OLG Düsseldorf knüpfte ausdrücklich an das Urteil des BGH vom 18.6.2014 an und verneinte die automatisierte Haftung des Geschäftsführers für Markenrechtsverletzungen seines Unternehmens.
Ein Anspruch auf Zahlung (…) gegen den Beklagten zu 2) besteht nicht, weil die Klägerin die Voraussetzungen einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers nicht dargetan hat. Allein der Umstand, dass der Beklagte zu 2) von dem Vertrieb Kenntnis hatte und diesen nicht unterband, begründet seine Haftung nicht. Der Grundsatz, dass der Geschäftsführer für Kennzeichenverletzungen haftet, wenn er von ihnen Kenntnis hat und sie nicht verhindert, wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrechterhalten (BGH GRUR 2014, 883 Rn. 15 – Geschäftsführerhaftung). Zwar kommt bei Kennzeichenverletzungen – anders als bei Wettbewerbsverstößen – grundsätzlich eine zivilrechtliche Haftung als Störer in Betracht. Dies setzt indes voraus, dass der Geschäftsführer willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt und dabei zumutbare Verhaltenspflichten verletzt (BGH GRUR 2015, 672 Rn. 82 – Videospiel-Konsolen II). Dafür ist hier nichts ersichtlich, zumal die Frage, inwieweit hier eine Anzeige des Vertriebs erforderlich war, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Es ist daher nicht ersichtlich, wodurch der Beklagte hier willentlich zu der Rechtsverletzung beigetragen hat.
So war die bis vor 2014 geltende Rechtsprechung Geschichte. Zum Vergleich lohnt sich ein Blick auf ein Urteil des OLG Hamburg vom Jahre 2005:
„Nach ständiger Rechtsprechung haften die Geschäftsführer einer GmbH bei Kennzeichenverletzungen auch persönlich, wenn sie die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder wenn sie jedenfalls von ihr Kenntnis haben und die Möglichkeit, sie zu verhindern. Sogar ohne eigene Kenntnis kommt eine persönliche Haftung des Geschäftsführers unter dem Gesichtspunkt der Organisationspflichtverletzung in Betracht, wenn er sich bewusst der Möglichkeit zur Kenntnis- und Einflussnahme entzieht, etwa durch einen dauerhaften Aufenthalt im Ausland“ (OLG Hamburg, Urteil v. 14. 12. 2005, Az:5 U 200/04 17).
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