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Verdachtsberichterstattung: Strafverfahren in den Medien

Welche Regeln gelten bei der Verdachtsberichterstattung?

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Berichterstattung über Strafverfahren in den Medien berührt Verfassungsrechte

Wenn in den Medien über laufende Strafverfahren gegen Personen berichtet wird, die namentlich genannt oder anders identifizierbar gemacht werden, kann dies gravierende Auswirkungen auf das öffentliche sowie private Ansehen der betroffenen Personen haben. Während grundsätzlich das Interesse der Allgemeinheit besteht, über bestimmte Strafverfahren informiert zu werden und die Presse bzw. Medien aus ihrem wirtschaftlichen Eigeninteresse dieses Informationsbedürfnis bedienen wollen und auch sollen, können vor allem in Fällen, in denen sich die gegen die jeweiligen Personen erhobenen Vorwürfe als falsch herausstellen, das Strafverfahren eingestellt oder der Angeklagte freigesprochen wird, die vorhergegangene Berichterstattung nachhaltig den Ruf negativ prägen.

Die Berichterstattung über Strafverfahren berührt sich gegenüberstehende Grundrechte, nämlich die Presse– und Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) einerseits und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 i.V.m. Art. 2 GG) andererseits. Um einen Ausgleich dieser Verfassungsrechte herzustellen, gelten bestimmte rechtliche Grundsätze, die von der Rechtsprechung entwickelt worden und anhand derer die Rechtmäßigkeit von Berichterstattung über Strafverfahren zu messen ist.

Wann darf berichtet werden und welche Grundsätze sind zu beachten?

Grundsätzlich rechtfertigt die Pressefreiheit und das öffentliche Informationsinteresse, dass auch über laufende Strafverfahren in den Medien berichtet werden kann, deren Ausgang noch unsicher ist und bei denen der Wahrheitsgehalt der Vorwürfe und die Schuld der Betroffenen bisher unbewiesen sind. Bei einer solchen Verdachtsberichterstattung sind jedoch bestimmte Maßgaben einzuhalten um dem Schutz des Persönlichkeitsrechts und insbesondere der Unschuldsvermutung Rechnung zu tragen.

Berechtigtes öffentliches Interesse

Zunächst muss ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Verbreitung des konkreten Verdachtsfalls bestehen. Das ist gegeben, wenn es sich um einen Vorgang von einigem Gewicht handelt oder auch wenn die verdächtigte Person in der Öffentlichkeit gewisse Bekanntheit hat oder besondere Umstände der Tat ein Allgemeininteresse rechtfertigt.

Mindestbestand an Beweistatsachen

Weiterhin muss ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen, die dafür sprechen, dass die Informationen wahr sind und damit einen Wert für die Öffentlichkeit erhalten. Nicht ausreichend ist die bloße Tatsache, dass polizeiliche Ermittlungen eingeleitet wurden, da hierzu schon ein geringer Anfangsverdacht ausreicht. Für Presseberichte ist gefordert, dass durch sorgfältige Recherche gewonnene Erkenntnisse den Verdacht hinreichend stützen. Die Anforderungen hierbei hängen von den Aufklärungsmöglichkeiten, sowie von der möglichen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsinteresses des Betroffenen und des Interesses der Öffentlichkeit ab. Die Anforderungen an die Recherche sind dabei jedoch nicht zu hoch anzusetzen, damit die Presse- und Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt wird. Sie können in laufenden Strafverfahren auch auf Erkenntnisse aus den Verlautbarungen amtlicher Stellen sowie aus der Recherche anderer Medien zurückgreifen.

Keine Vorverurteilung

Zudem ist es wichtig, dass durch die Art und Weise, wie über ein Verfahren berichtet wird, keine Vorverurteilung der betroffenen Person vorgenommen wird. Dies gebietet die Unschuldsvermutung, die bei Vorverurteilung durch die Medien innerhalb der Gesellschaft für den Betroffenen praktisch wertlos wäre. Medienberichte müssen den Stand eines laufenden Verfahrens also wahrheitsgemäß wiedergeben. Hierzu gehört eine ausgewogene Berichterstattung, die auch entlastende Tatsachen einbezieht und dass der Betroffene nicht als „Täter“ sondern etwa als „Verdächtiger“ oder „mutmaßlicher Täter“ bezeichnet wird.

Anhörungspflicht

Des Weiteren besteht eine Anhörungspflicht. Dem durch die Berichterstattung Betroffenen muss vor Veröffentlichung in angemessener Frist die Gelegenheit gegeben werden, Stellung zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen zu nehmen. Welche Frist angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann auch relativ kurz sein. Bittet der Betroffene um Fristverlängerung zur Stellungnahme, kann ihm diese entweder eingeräumt werden oder er muss darüber informiert werden, dass sie abgelehnt wurde bzw. bis wann seine Stellungnahme berücksichtigt werden kann. Weiterhin muss seine Stellungnahme zur Kenntnis genommen werden und sein Standpunkt muss sich in der Berichterstattung widerspiegeln. Dem Betroffenen bleibt dabei selbst überlassen auf welche Art er sich äußern möchte. Die bloße Bemühung um ein persönliches Interview reicht nicht zur Erfüllung der Anhörungspflicht aus.

Bildliche Darstellungen des Betroffenen

Wird der Betroffene in einer Berichterstattung über ein gegen ihn laufendes Strafverfahren bildlich, etwa durch Foto- oder Videoaufnahmen identifizierbar dargestellt, stellt dies ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, der grundsätzlich nach § 22 KUG nur mit Einwilligung des Dargestellten möglich ist, jedoch auch nach § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 KUG ohne Einwilligung zulässig sein kann, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt und kein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.

Hierbei kommt es maßgeblich auf die zeitgeschichtliche Bedeutung der Tat und ihrer Umstände sowie auf den Bekanntheitsgrad der betroffenen Person an. Während bei ansonsten der Öffentlichkeit völlig unbekannten Personen das Persönlichkeitsrecht als berechtigtes Interesse regelmäßig als schützenswerter angesehen wird, kann bei Personen des öffentlichen Lebens, die sich häufiger den Medien präsentieren oder durch ihre wichtige Stellung innerhalb der Gesellschaft auch Relevanz für das Zeitgeschehen haben, kann die Pressefreiheit eher überwiegen. Es kommt jedoch auch immer auf die Umstände des Einzelfalls an.

Bedeutung des Zeitpunkts des Strafverfahrens

Je nachdem, in welchem Stadium sich ein Strafverfahren befindet, kann die vorzunehmende Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Presse- und Meinungsfreiheit sowie dem öffentlichen Informationsinteresse anders ausfallen.

Bei noch laufenden Strafverfahren wird in der Regel das öffentliche Informationsinteresse aufgrund der Relevanz für das aktuelle Zeitgeschehen hoch anzusetzen sein. Hierbei wird das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen weniger stark ins Gewicht fallen. Kommt es zu einem Freispruch, gebietet es der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen, dass zum einen über den Freispruch berichtet wird und andererseits eine darüber hinausgehende Berichterstattung über das Strafverfahren unterbleibt. Bei einer Verurteilung kann weiterhin ein Informationsinteresse der Allgemeinheit bestehen. Bei einer Haftstrafe wird jedoch mit fortschreitender Zeit und Näherrücken des Endes der Haftstrafe das Resozialisierungsinteresse des Betroffenen bei der Abwägung immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Die Regeln zur Verdachtsberichterstattung gelten nicht nur im Strafrecht!

Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze für eine ausnahmsweise zulässige Verdachtsberichterstattung sind nicht auf Vorwürfe konkret strafbaren Verhaltens beschränkt, sondern sind auch auch auf sonstige herabwürdigende und ehrverletzende Vorwürfe anwendbar.

LHR streitet für Ihr Persönlichkeitsrecht

Wir, LHR Rechtsanwälte, setzen uns für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Personen ein, über die in den Medien im Rahmen von Strafverfahren berichtet wird. Wir glauben an den hohen Wert der Unschuldsvermutung und wissen, welche Auswirkungen eine rechtswidrige Verdachtsberichterstattung für Betroffene haben kann. Daher fordern wir für unsere Mandanten außergerichtlich, sowie wenn nötig vor Gericht, ein, dass die Berichterstattung den notwendigen Grundsätzen entspricht und ihre Rechte geachtet werden.

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