OLG Koblenz, Urteil v. 03.02.2021, Az. 9 U 809/20
Gericht:
Oberlandesgericht Koblenz
Entscheidung:
v. 03.02.2021, Az. 9 U 809/20
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Trier vom 22.05.2020, Az. 7 HK O 30/19, abgeändert und wie folgt neu gefasst:Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. - Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist eine …, die in Form eines eingetragenen Vereins organisiert ist.
Die Beklagte betreibt den Handel mit elektronischen Zigaretten. Bei diesen wird ein Liquid zur Inhalation durch den Menschen verdampft. Die Liquids enthalten meist Nikotin und werden in dieser Form häufig als Substitut für übliche Tabakzigaretten genutzt.
Ende April 2020 wurde der Kläger auf eine Werbung der Beklagten aufmerksam, die sie für unlauter hält und deren Unterlassung er von der Beklagten verlangt. Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 30.04.2019 ab und forderte sie auf, sich strafbewehrt zu unterwerfen.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,
bei den von der Beklagten vertriebenen E-Zigaretten handele es sich um Tabakwaren im Sinne des § 1 TabakerzG i.V.m. Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2014/40/EU. Gemäß § 21 Abs. 1 TabakerzG, der im vorliegenden Fall jedenfalls analoge Anwendung finde, sei es verboten, im Verkehr mit Tabakerzeugnissen oder in der Werbung dafür werbliche Informationen zu verwenden, durch die der Eindruck erweckt werde, dass der Genuss oder die bestimmungsgemäße Verwendung von Tabakerzeugnissen gesundheitlich unbedenklich sei. Genau dieser Eindruck werde mit der Werbung der Beklagten erweckt. Die Werbung werde so verstanden, als ob E-Zigaretten Leben retten würden. Demgegenüber seien auch E-Zigaretten gesundheitlich nicht unbedenklich. Die Werbung der Beklagten verstoße daher gegen §§ 21 TabakerzG, 3, 3a UWG, da es sich bei § 21 TabakerzG um eine Marktverhaltensvorschrift handele.
Daneben verstoße die Werbung gegen das allgemeine Irreführungsverbot nach §§ 3, 5 UWG. Denn mit der Werbung werde bei dem Verbraucher der unzutreffende Eindruck erweckt, E-Zigaretten seien gesundheitlich unbedenklich.
Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen,
mit ihrer Werbung versuche sie, Tabakraucher für das neue Produkt zu interessieren und dadurch als Neukunden zu gewinnen. Damit handele sie nicht unlauter.
Zum einen finde § 21 TabakerzG auf E-Zigaretten keine Anwendung. Denn E-Zigaretten seien keine Tabakerzeugnisse im Sinne dieser Vorschrift.
Es liege zum anderen aber auch kein Verstoß gegen §§ 3, 5 UWG vor. Eine irreführende geschäftliche Handlung sei nicht gegeben. Die Werbung richte sich als maßgeblichen Verkehrskreis an Personen, die bereits selbst Tabakerzeugnisse konsumieren. Dies folge aus dem Schriftzug „jetzt umsteigen“. Der durchschnittliche Verbraucher verstehe den Aussagegehalt daher in der Weise, dass Tabakraucher auf E-Zigaretten umsteigen sollen, nicht hingegen wörtlich in dem Sinn, dass die E-Zigarette gesundheitsförderlich sei. Es handele sich um eine offensichtliche Übertreibung und eine offenbar der Aufmerksamkeitserregung dienende, plakative Angabe. Die Leben rettende Wirkung beziehe sich auf die im Vergleich zur Tabakzigarette deutlich weniger schädlichen Wirkungen der E-Zigarette. Diese Werbeaussage sei nicht irreführend, sondern zutreffend. Denn die E-Zigarette sei weniger schädlich und weniger krebserregend als eine Tabakzigarette, was unstreitig ist. Daher würden E-Zigaretten auch als Entwöhnungsmittel statt Nikotinpflaster verwendet. Dementsprechend seien mehr als 90 % der Konsumenten ehemalige Tabakraucher.
Mit dem Begriff „lebensrettend“ werde demgegenüber nicht die Vorstellung verbunden, dass die Wirkung der E-Zigarette gesundheitlich unbedenklich ist. Dementsprechend hätten auch Medikamente, Operationen und ähnliches eine lebensrettende Wirkung, seien aber nicht gesundheitlich unbedenklich. Vielmehr sei eine lebensrettende Wirkung dadurch gegeben, dass neben bereits vorhandenen Gesundheitsschäden keine weiteren erheblichen Schäden hinzutreten würden.
Durch den Umstieg von Tabakzigaretten auf die E-Zigarette könnten daher tatsächlich Leben gerettet werden. Dementsprechend würden zahlreiche Studien belegen, dass infolge des gesteigerten Konsums von E-Zigaretten der Tod aufgrund von Raucherkrankheiten (z. B. Krebs) zurückgegangen sei.
Das Landgericht Trier hat die Beklagte mit Urteil vom 22.05.2020 verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben für E-Zigaretten mit dem Hinweis „E-Zigaretten leben jetzt umsteigen“ zu werben.
Außerdem hat es die Beklagte zur Zahlung von 299,60 Euro nebst Zinsen verurteilt.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt,
zwar sei § 21 TabakerzG im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Dieser beziehe sich nur auf Tabakerzeugnisse, nicht auf verwandte Erzeugnisse wie E-Zigaretten. Allerdings liege ein Verstoß gegen §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 UWG vor. § 5 UWG sei insoweit anwendbar, da § 21 TabakerzG für Nichttabakprodukte keine abschließende Regelung enthalte. Die Werbung sei wörtlich so zu verstehen, dass E-Zigaretten Leben retten können. Bei derartigen gesundheitsbezogenen Werbeaussagen seien strenge Anforderungen an die Richtigkeit zu stellen. Da sich durch die Werbung jeder Verbraucher und nicht lediglich Raucher angesprochen fühlten, entstehe auch bei diesen der unzutreffende Eindruck, E-Zigaretten seien gesundheitlich unbedenklich.
Gegen das am 25.05.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.05.2020 Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage weiterverfolgt.
Zur Begründung trägt sie unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen vor, maßgeblicher Verkehrskreis, an den die Werbung adressiert sei, sei entgegen der Ansicht des Landgerichts lediglich die Personengruppe der Raucher, nicht hingegen auch die Nichtraucher. Dies folge bereits aus dem Zusatz der Werbung „Jetzt umsteigen“, der deutlich und gut lesbar sei. Abzustellen sei insoweit nicht auf einen flüchtigen Betrachter, sondern auf den angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbraucher. Der Zusatz sei im Übrigen mit dem Antrag zum Streitgegenstand gemacht und damit vollständig zu bewerten. Damit ergebe sich deutlich, dass die Werbung an Nutzer eines Alternativprodukts gerichtet sei. Der interessierte Durchschnittsverbraucher wisse, dass E-Zigaretten ein Konkurrenzprodukt zu herkömmlichen Zigaretten ist. Dem Verbraucher werde nicht vermittelt, dass E-Zigaretten gesundheitlich unbedenklich seien. Auch die Klägerin räume demgegenüber ein, dass E-Zigaretten deutlich weniger schädlich seien als normale Zigaretten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Trier vom 22.05.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen vor,
von der Werbung würden sich auch Nichtraucher angesprochen fühlen. Gerade ihnen gegenüber sei die Werbung irreführend. Denn sie erlägen dem Irrtum, E-Zigaretten bedenkenlos konsumieren zu können. Tatsächlich seien sie jedoch auch nach der Darstellung der Beklagten nur weniger schädlich als Tabakzigaretten. Die Werbung stelle indes absolut auf die Wirkung ab, Leben zu retten.
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige – insbesondere statthafte (§ 511 Absätze 1 und 2 ZPO), der gesetzlichen Form (§ 519 ZPO) und Frist (§ 517 ZPO) gemäß eingelegte sowie form- und fristgerecht begründete (§ 520 ZPO) – Berufung ist begründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger als … in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins klagebefugt, §§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Klagebefugnis des Klägers steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung.
Ein Anspruch folgt zunächst nicht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3, 3 Abs. 1, 3a UWG, 21 TabakerzG. Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG ist es verboten, im Verkehr mit Tabakerzeugnissen oder in der Werbung dafür werbliche Informationen zu verwenden, durch die der Eindruck erweckt wird, dass der Genuss oder die bestimmungsgemäße Verwendung von Tabakerzeugnissen gesundheitlich unbedenklich oder dazu geeignet ist, die Funktion des Körpers, die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden günstig zu beeinflussen.
Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall indes nicht anwendbar, weil das von der Beklagten beworbene Produkt nicht als Tabakerzeugnis zu werten ist. Tabakerzeugnis ist nach Artikel 2 RL 2014/40/EU ein Erzeugnis, das konsumiert werden kann und das, auch teilweise, aus genetisch verändertem oder genetisch nicht verändertem Tabak besteht. Dies ist bei E-Zigaretten, die ein Liquid enthalten, welches Aromastoffe und teilweise auch Nikotin enthält, nicht der Fall.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Vorschrift des § 21 TabakerzG nicht erweiternd dergestalt auszulegen, dass sie auch verwandte Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nr. 1, Nr. 2 TabakerzG erfasst. Hierunter sind elektronische Zigaretten, Nachfüllbehälter und pflanzliche Raucherzeugnisse zu verstehen.
Gegen diese Auslegung der Vorschrift spricht bereits deren Wortlaut, der ausdrücklich auf „Tabakerzeugnisse“ abhebt (vgl. Nomos-BR/Boch TabakerzG/Thomas Boch, 1. Aufl. 2019, TabakerzG § 21 Rn. 1; Zipfel/Rathke LebensmittelR/Horst, 177. EL Juli 2020, TabakerzG § 21 Rn. 4). Die systematische Stellung der Vorschrift in Abschnitt 4 des Gesetzes, welcher mit „Gemeinsame Vorschriften für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse“ überschrieben ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Tatsächlich finden sich in den Vorschriften der §§ 18 – 23 TabakerzG Vorschriften, welche sich sowohl auf Tabakerzeugnisse als auch auf verwandte Erzeugnisse beziehen. Allerdings gilt dies nicht für sämtliche Regelungen. Vielmehr differenziert der Gesetzgeber selbst innerhalb der in diesem Abschnitt verorteten Vorschriften, indem beispielsweise die Vorschrift des § 18 Abs. 2, 3 TabakerzG ausdrücklich lediglich für Tabakerzeugnisse gilt. In Absatz 4 der Vorschrift werden diese Regelungen für verwandte Erzeugnisse lediglich in Teilen für entsprechend anwendbar erklärt. Bereits dieser Umstand deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht sämtliche Regelungen des vierten Abschnitts des TabakerzG sowohl auf Tabakerzeugnisse als auch auf verwandte Erzeugnisse Anwendung finden lassen wollte. Dementsprechend stellen auch die übrigen Vorschriften der §§ 19 bis 20b TabakerzG hinsichtlich ihres Regelungsbereiches ausdrücklich auf Tabakerzeugnisse und elektronische Zigaretten ab, sodass erkennbar ist, dass der Gesetzgeber eine Unterscheidung beider Erzeugnisse vornimmt und sie auch – jedenfalls teilweise – einer unterschiedlichen Regelung zuführt. Demgegenüber stellt der Wortlaut des § 21 TabakerzG alleine auf Tabakerzeugnisse ab, verwandte Erzeugnisse finden in dieser Vorschrift keine Erwähnung.
Dieser Umstand dokumentiert, dass der Gesetzgeber sehr wohl unterschiedliche Regelungen für Tabakerzeugnisse und elektronische Zigaretten treffen wollte, sodass alleine der Umstand, dass § 21 TabakerzG in dem Abschnitt verortet ist, welche beide Erzeugnisarten betrifft, es nicht rechtfertigt, die Vorschrift über den klaren Wortlaut hinaus auf verwandte Erzeugnisse anzuwenden. Demgegenüber lässt sich der systematische Zusammenhang der Vorschriften des Abschnitts 4 des TabakerzG dadurch begründen, dass nur die §§ 18 bis 21 TabakerzG jeweils Verbotsnormen enthalten. Dies deutet darauf hin, dass für den Gesetzgeber die systematische Ordnung der Verbotsnormen im Vordergrund stand, nicht hingegen der konkrete Anwendungsbereich der jeweiligen Normen. Aus gesetzessystematischen Gründen ist es daher gerade nicht ausgeschlossen, dass die Verbotsnormen unterschiedliche Regelungen hinsichtlich Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen vorsehen.
Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit mehrfach Änderungen der Vorschriften des TabakerzG vorgenommen hat. So wurden gerade jüngst durch Gesetz vom 23.10.2020 (BGBl. I S. 2229) die Vorschriften der §§ 20a und § 20b TabakerzG eingeführt, die jeweils ausdrücklich auf „Tabakerzeugnisse“ und „elektronische Zigaretten“ Anwendung finden. Mit Gesetz vom 19.11.2020 (BGBl. I S. 2456) wurde § 20 TabakerzG dahingehend geändert, dass das Betreiben der die in der Vorschrift genannten audiovisuellen kommerziellen Kommunikation für Erzeugnisse von Unternehmen verboten ist, deren Haupttätigkeit die Herstellung oder den Verkauf „dieser Erzeugnisse“ ist. Zu dieser klarstellenden Änderung sah sich der Gesetzgeber veranlasst, weil sich die Vorschrift ausdrücklich auf „Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten oder Nachfüllbehälter“ und deren Hersteller bezieht, während sie zuvor vom Wortlaut her lediglich Unternehmen erfasste, „deren Haupttätigkeit die Herstellung oder der Verkauf von Tabakerzeugnissen“ war (Hervorhebung durch Senat).
Schließlich erwog der Gesetzgeber gemäß Drucksache 18/7452 im Jahr 2016 ausdrücklich, die Vorschrift des § 21 TabakerzG dahingehend zu ändern, dass „nach dem Wort „Tabakerzeugnissen“ die Wörter „und verwandten Erzeugnissen“ einzufügen “ sein sollten. In der Begründung des Gesetzesentwurfs lautet es insoweit wie folgt:
„Die Ergänzung des Werbeverbots um die verwandten Erzeugnisse dient der Klarstellung des Werbeverbots für diese Produkte mit den genannten qualitativen Zielen. Dies steht im Einklang mit den Erwägungen der Richtlinie 2014/40/EU (Erwägungsgrund Nummer 43), wonach elektronische Zigaretten sich zu einem Mittel für den Einstieg in die Nikotinabhängigkeit und letztlich in den herkömmlichen Tabakkonsum entwickeln können, da mit ihnen der Vorgang des Rauchens nachgeahmt und normalisiert wird. Aus diesem Grund sollte, wie in den Erwägungen der Richtlinie 2014/40/EU ausgeführt, ein restriktiver Ansatz in Bezug auf die Werbung für elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter verfolgt werden.“
Dieses Gesetzesvorhaben wurde indes nicht umgesetzt. Alleine der Umstand, dass die Gesetzesänderung „der Klarstellung“ dienen sollte, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Vorschrift des § 21 TabakerzG über ihren ausdrücklichen Wortlaut hinaus auch auf verwandte Erzeugnisse Anwendung finden sollte. Vielmehr kann sich die „Klarstellung“ insoweit auch auf die gleichlaufende, gesetzgeberische Schutzrichtung beziehen, weil der Gesetzgeber bei elektronischen Zigaretten eine vergleichbare Gefahr für Konsumenten erkannte wie bei Tabakerzeugnissen, weil sie den Einstieg in die Nikotinabhängigkeit begründen können. Sofern der Gesetzgeber insoweit tatsächlich einen Handlungsbedarf erkannt hat, hätte es indes einer Gesetzesänderung dahingehend bedurft, dass – wie in den übrigen Vorschriften des vierten Abschnitts des TabakerzG auch – der Anwendungsbereich der jeweiligen Norm ausdrücklich auf Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse erstreckt wird. Da dies unterblieben ist, verbleibt es bei der am Wortlaut angelegten Einschränkung, nach der § 21 TabakerzG lediglich auf Tabakerzeugnisse, nicht hingegen auf verwandte Erzeugnisse wie elektronische Zigaretten Anwendung findet (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Horst, 177. EL Juli 2020, TabakerzG § 21 Rn. 4; Nomos-BR/Boch TabakerzG/Thomas Boch, 1. Aufl. 2019, TabakerzG § 21 Rn. 1).
Aus den gleichen Gründen kommt auch eine analoge Anwendung des § 21 TabakerzG nicht in Betracht. Denn eine solche setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus, die im Falle vergleichbarer Interessenlagen dadurch geschlossen werden kann, dass eine Vorschrift auf einen von ihr nicht erfassten Sachverhalt entsprechend angewandt wird. Im vorliegenden Fall fehlt es indes an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn der Gesetzgeber hat sich mit dem Regelungsbereich des TabakerzG mehrfach befasst. Hierbei hat er sich auch mit der Vorschrift des § 21 TabakerzG auseinandergesetzt, jedoch eine Anpassung der Vorschrift, indem sie – in Gleichlauf mit den übrigen Verbotsvorschriften des TabakerzG – ausdrücklich auf beide Arten von Erzeugnissen Anwendung finden soll, gerade nicht vorgenommen. Demgegenüber kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eine Anpassung des Wortlauts lediglich vergessen hat. Denn der Gesetzgeber hat sich mit einer geplanten Änderung ausdrücklich befasst, hiervon indes wieder Abstand genommen, während er in anderen Bereichen Änderungen tatsächlich vorgenommen hat.
Ein Unterlassungsanspruch folgt auch nicht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.
Zwar handelt es sich bei der streitgegenständlichen Werbung um eine geschäftliche Handlung. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Die von der Beklagten veranlasste Werbung erfüllt diese Voraussetzungen (vgl. auch Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 39. Aufl. 2021, UWG § 2 Rn. 15).
Die Beklagte handelte indes nicht unlauter nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG. Unlauter handelt danach, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung enthält. Das ist der Fall, wenn das Verständnis, das die geschäftliche Handlung bei den beteiligten Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt, wobei es auf den Gesamteindruck ankommt (BGH WRP 2015, 851 Rn. 10 – Schlafzimmer komplett; BGH WRP 2015, 1102 Rn. 19 – Mobiler Buchhaltungsservice; Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5a Rn. 1.11). Dies kann auch gegeben sein, wenn das Verhalten des Unternehmers aus der Sicht der Abnehmer einen falschen Gesamteindruck begründet und das Unterlassen nur darin besteht, dass die Fehlvorstellung nicht ausgeräumt wird (Harte/Henning/Dreyer Rn. 28; Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5a Rn. 1.14). Eines Verschuldens bedarf es hierbei ebenso wenig wie einer Täuschungsabsicht (vgl. EuGH GRUR 2015, 600 Rn. 47 – UPC; Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.53).
Für die Feststellung einer relevanten Irreführung kommt es allein auf die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise an (BGHZ 13, 244 (253) = GRUR 1955, 38 (40) – Cupresa-Kunstseide; BGH GRUR 1961, 193 (196) – Medaillenwerbung; BGH GRUR 1987, 171 (172) – Schlussverkaufswerbung I; BGH GRUR 1991, 852 (854) – Aquavit mwN; BGH GRUR 1995, 612 (614) – Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie; BGH GRUR 1996, 910 (912) – Der meistverkaufte Europas; BGHZ 156, 250 (252) = GRUR 2004, 244 (245) – Marktführerschaft; BGH GRUR 2015, 1019 Rn. 19 – Mobiler Buchhaltungsservice; BGH GRUR 2016, 521 Rn. 10 – Durchgestrichener Preis II; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.51). Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, welcher der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH GRUR 2000, 619 (621) – Orient-Teppichmuster; BGHZ 156, 250 (252) = GRUR 2004, 244 (245) – Marktführerschaft; BGH GRUR 2004, 249 (251) – Umgekehrte Versteigerung im Internet; BGH GRUR 2004, 435 (436) – FrühlingsgeFlüge; BGH GRUR 2004, 793 (796) – Sportlernahrung II; MüKoUWG/Ruess § 5 Rn. 166 ff.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.76).
Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 5 UWG ist, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung auf Grund des Gesamteindrucks der Anzeige versteht (vgl. BGH GRUR 1968, 382 (385) – Favorit II; BGH GRUR 1988, 459 (460) – Teilzahlungsankündigung; BGH GRUR 2002, 550 (552) – Elternbriefe; BGH GRUR 2002, 715 (716) – Scanner-Werbung; BGHZ 151, 84 (91) = GRUR 2002, 976 (979) – Kopplungsangebot I;BGH GRUR 2003, 361 (362) – Sparvorwahl; BGH GRUR 2016, 521 Rn. 10 – Durchgestrichener Preis II; OLG Hamburg GRUR 2004, 46). Einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung dürfen deshalb nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen werden (BGH GRUR 1996, 367 (368) – Umweltfreundliches Bauen; BGH WRP 1996, 1097 (1098) – Preistest; BGH GRUR 2003, 800 (803) – Schachcomputerkatalog). Auch bei zusammengesetzten Bezeichnungen kommt es stets auf die Gesamtwirkung an, sodass eine zergliedernde Wertung einzelner Bestandteile unzulässig ist, es sei denn, dass ein Bestandteil für die Gesamtwirkung der Wortzusammensetzung bestimmend ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.81). Im Falle unbewusster Mehrdeutigkeit einer Werbeaussage muss der Werbende die ungünstigere, aber verständigerweise mögliche Auslegung gegen sich gelten lassen (BGH GRUR 1963, 539 (541) – echt skai; BGH GRUR 1982, 563 (564) – Betonklinker; BGH GRUR 1992, 66 (67) – Königl.-Bayerische Weisse; OLG Stuttgart WRP 1992, 55 (57); OLG Karlsruhe NJWE-WettbR 1997, 121; ÖOGH ÖBl 1963, 26; ÖOGH ÖBl 1986, 104; Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.109).
Steht eine Werbung auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung im Streit, gilt im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung für Angaben mit fachlichen Aussagen generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1970 – I ZR 86/69, GRUR 1971, 153, 155 = NJW 1971, 323 – Tampax; Urteil vom 7. März 1991 – I ZR 127/89, GRUR 1991, 848, 849 = NJW-RR 1991, 848 – Rheumalind II; Urteil vom 7. Dezember 2000 – I ZR 260/98, GRUR 2002, 273, 274 = WRP 2001, 1171 – Eusovit; Urteil vom 4. September 2003 – I ZR 32/01, GRUR 2004, 72; OLG Hamburg, PharmaR 2007, 204, 206; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rn. 1/140; BGH, Urteil vom 06. Februar 2013 – I ZR 62/11 –, Rn. 16, juris).
Eine Irreführung setzt weiterhin unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit voraus, dass die Fehlvorstellung nicht lediglich bei einem geringen Anteil der interessierten Verbraucher zu erwarten ist, weil jede (werbende) Aussage die Möglichkeit in sich trägt, missverstanden zu werden (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.94). Zur Wahrung des Verbraucherschutzes ist daher ein erheblicher Anteil an Verbrauchern zu fordern, die durch die Werbeaussage irregeführt werden (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.99).
Hierbei kann sich der Richter für die Ermittlung des Verkehrsverständnisses auch auf seine eigene Urteilsfähigkeit jedenfalls dann stützen, wenn er zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört oder wenn sich die fragliche Werbeangabe auf Gegenstände des allgemeinen Bedarfs bezieht (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.101). Der Richter kann die Verkehrsauffassung dann in geeigneten Fällen auf Grund eigener Sachkunde feststellen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.224; BGH GRUR 1961, 193 (195) – Medaillenwerbung; BGH GRUR 1961, 538 (540) – Feldstecher; BGH GRUR 1963, 270 (272 f.) – Bärenfang; BGH GRUR 1992, 406 (407) – Beschädigte Verpackung I; BGH GRUR 2000, 239 (240) – Last-Minute-Reise; Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.226), wenn es zur Feststellung der Verkehrsauffassung keiner besonderen Erfahrung bedarf, weil auch die Fachkreise für die Beurteilung der fraglichen Werbeangabe keine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen einsetzen (BGH GRUR 2002, 77 (79) – Rechenzentrum; BGHZ 156, 250 (255) = GRUR 2004, 244 (245) – Marktführerschaft; BGH GRUR 2014 1211 Rn. 20 – Runes of Magic II;Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.233).
Ob das Gericht eine Begutachtung durch einen Sachverständigen anordnet oder auf Grund eigener Sachkunde entscheidet, steht grundsätzlich in seinem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, § 5 Rdnr. 1.223, 1.232). Eine prozessrechtliche Notwendigkeit stellt die Beweisaufnahme in Form einer Verkehrsbefragung auch dann nicht dar, wenn das Berufungsgericht die Sache insoweit anders beurteilen möchte als die erste Instanz (BGH GRUR 2013, 401, beck-online).
Schließlich trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen (BGH GRUR 1997, 229 (230) – Beratungskompetenz; BGH GRUR 2004, 246 (247) – Mondpreise?; BGH GRUR 2020, 299 Rn. 34 – IVD-Gütesiegel; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1.240).
Nach diesen Grundsätzen ist eine irreführende Werbung der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Der Senat sieht sich zunächst selbst zur Beurteilung dieser Frage in der Lage. Die Senatsmitglieder zählen grundsätzlich zur Verkehrsgruppe von potentiellen Nutzern der beworbenen E-Zigaretten und damit zum grundsätzlichen Adressatenkreis der Werbung der Beklagten. Außerdem bedarf es zur Bewertung der Frage, in welcher Weise die Werbung der Beklagten inhaltlich zu verstehen ist, keiner besonderen Kenntnisse und Erfahrungen.
Nach den oben genannten Grundsätzen ist die Werbung der Beklagten nicht als irreführend und damit nicht als unlauter zu werten. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Werbung unrichtige Angaben hinsichtlich wesentlicher Merkmale ihrer Ware enthält, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist zunächst festzustellen, dass sich die streitgegenständliche Werbung der Beklagten an den Verbraucherkreis der Konsumenten von Tabakerzeugnissen, nämlich der Tabakzigarette, richtet. Dies folgt aus dem Textteil „JETZT UMSTEIGEN“. Dadurch wird klargestellt, dass die Werbung nicht die Zielrichtung verfolgt, jeglichen Verbraucher zum Konsum von E-Zigaretten zu veranlassen. Vielmehr soll sie den Tabakkonsumenten auf das von der Beklagten vertriebene Alternativprodukt aufmerksam machen. Anders ist die Formulierung „Umsteigen“ nicht zu verstehen, da ein Umstieg voraussetzt, dass ein Wechsel von einem ähnlichen Produkt – nämlich der Tabakzigarette – erfolgt.
Der Textteil „JETZT UMSTEIGEN“ ist auch ausreichend deutlich, sodass nicht festgestellt werden kann, dass er von dem durchschnittlichen Verbraucher nicht mehr wahrgenommen wird. Zwar findet insoweit eine optische Absetzung statt, weil eine Umrandung – im Gegensatz zu dem Textteil „E-ZIGA RETTEN LEBEN“ – nicht vorgenommen wird. Auch ist die Schriftgröße im Verhältnis zu dem vorgenannten Text geringfügig kleiner gewählt. Dieser Umstand rechtfertigt indes nicht die Annahme, dass der Textteil „JETZT UMSTEIGEN“ von dem Verbraucher nicht mehr wahrgenommen wird. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass es sich bei der Werbung der Beklagten um ein großflächiges Plakat handelt, welches am Straßenrand aufgestellt ist. Das Wort „JETZT“ ist farblich abgesetzt und findet aus diesem Grund bereits eine größere Beachtung. Die lediglich geringfügig kleinere Schriftgröße führt insgesamt nicht dazu, dass dieser Teil der Werbeaussage nicht mehr wahrgenommen wird. Vielmehr wird das Werbeplakat und die darauf befindliche Werbeaussage insgesamt als Einheit betrachtet, sodass es auch vollständig der Prüfung zu unterziehen ist, ob die Werbeaussage als irreführend zu qualifizieren ist.
Es kann nicht festgestellt werden, dass bei dem Konsumenten von Tabakzigaretten als Adressat der Werbung der Beklagten ein Irrtum hervorgerufen wird. Insbesondere wird nicht die unzutreffende Vorstellung hervorgerufen, E-Zigaretten seien gesundheitlich unbedenklich. Zwar ist die Werbung unstreitig in der Weise zu verstehen, dass mit der Aussage geworben wird, dass E-Zigaretten Leben retten. Diese Werbeaussage folgt zwanglos aus dem Text, bei dem der Begriff „retten“ in doppelter Bedeutung als Bestandteil des Begriffs „E-Zigaretten “ und überdies als Verb verstanden wird. Dieses Verständnis des Werbetextes steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
Allerdings führt diese Werbeaussage entgegen der Ansicht des Landgerichts bei dem Verbraucher nicht zu der Fehlvorstellung, dass E-Zigaretten gesundheitlich unbedenklich sind. Abzustellen ist insoweit auf den Verständnishorizont des angesprochenen Verbrauchers, mithin dem Konsumenten von Tabakzigaretten. Eine lebensrettende Wirkung ist allerdings nicht gleichzusetzen mit der Eigenschaft, gesundheitlich unbedenklich zu sein. Die gesundheitliche Unbedenklichkeit knüpft nämlich daran an, dass eine Substanz keinerlei schädlichen Einfluss auf den menschlichen Körper hat. Eine lebensrettende Wirkung kann demgegenüber bereits dann angenommen werden, wenn schädliche Einflüsse vermindert werden, sodass im Ergebnis ein Zustand geringerer Schädigung erreicht werden kann. Der Konsument von Tabakzigaretten, der Adressat von zahlreichen und umfangreichen Aufklärungskampagnen ist, weiß um die Gefährlichkeit des von ihm konsumierten Produkts. Vor diesem Hintergrund versteht der Tabakraucher die Werbung auch in der Weise, dass mit dem Konsum von E-Zigaretten seine Belastung reduziert werden und damit eine lebensverlängernde Wirkung erreicht werden kann. Demgegenüber wird der Tabakkonsument die Werbung nicht in der Weise verstehen, dass von E-Zigaretten keinerlei schädliche Wirkungen ausgehen. Dies gilt umso mehr, als der Tabakraucher weiß, dass bei der Tabakzigarette neben den Verbrennungsstoffen auch Nikotin schädliche Wirkungen verursachen. Gerade dieser Stoff ist indes in zahlreichen E-Zigaretten enthalten. Demgemäß soll einigen Tabakrauchern die E-Zigarette gleichsam einem Nikotinpflaster als Substitut dienen. Dann aber weiß der durchschnittliche Tabakkonsument als Adressat der angegriffenen Werbung, dass die E-Zigarette auch Stoffe enthält, die einen schädlichen Einfluss auf den menschlichen Körper haben, wenn- gleich diese in geringerem Umfang enthalten sind.
Demgegenüber kann eine lebensrettende Wirkung bereits dann begründet sein, wenn das vorliegend beworbene Alternativprodukt einen geringeren schädlichen Einfluss auf den menschlichen Körper hat als die Tabakzigarette selbst. Diese Eigenschaft von E-Zigaretten steht aber zwischen den Parteien jedenfalls im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht im Streit. Denn unstreitig rührt die schädliche Wirkung von Tabakzigaretten zu einem wesentlichen Teil von den Stoffen her, die bei der Verbrennung des Tabaks entstehen. Ebenso unstreitig findet ein Verbrennungsvorgang bei der E-Zigarette nicht statt, sodass jedenfalls diese Stoffe nicht entstehen und demgemäß keinen schädlichen Einfluss auf den Körper des Konsumenten haben können. Ist damit im Falle des Konsums von E-Zigaretten statt der Tabakzigaretten mit einer Verminderung des durch den Konsum des Produkts hervorgerufenen schädlichen Einflusses zu rechnen, ist dieser Umstand grundsätzlich auch geeignet, die Anzahl schwerwiegender Erkrankungen, die auch einen tödlichen Verlauf nehmen können, zu vermindern.
Mit diesem Verständnis ist die Werbeaussage der Beklagten nicht unzutreffend und daher aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Diese Werbeaussage wird überdies von der Beklagten anhand zahlreicher wissenschaftlicher Studien, nach denen E-Zigaretten im Vergleich zur Tabakzigarette eine erheblich geringere schädliche Wirkung haben, dokumentiert. Dieser Umstand steht zwischen den Parteien letztlich auch nicht im Streit.
Der Senat verkennt nicht, dass im Rahmen der Bewertung von gesundheitsbezogener Werbung strenge Maßstände gelten und eine Werbung insoweit nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1970 – I ZR 86/69, GRUR 1971, 153, 155 = NJW 1971, 323 – Tampax; Urteil vom 7. März 1991 – I ZR 127/89, GRUR 1991, 848, 849 = NJW-RR 1991, 848 – Rheumalind II; Urteil vom 7. Dezember 2000 – I ZR 260/98, GRUR 2002, 273, 274 = WRP 2001, 1171 – Eusovit; Urteil vom 4. September 2003 – I ZR 32/01, GRUR 2004, 72; OLG Hamburg, PharmaR 2007, 204, 206; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 4.183; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 4 Rn. 1/140; BGH, Urteil vom 06. Februar 2013 – I ZR 62/11 –, Rn. 16, juris). Mit der streitgegenständlichen Werbung steht indes nicht eine gesundheitsbezogene Wirkung der E-Zigarette im Vordergrund, in welcher dieser als Genussmittel eine unbedenkliche Wirkung zugeschrieben werden soll. Vielmehr beschränkt sich der Aussagegehalt der Werbung aus Sicht des Tabakkonsumenten als maßgeblichen Adressen, auf den als durchschnittlichen Verbraucher abzustellen ist, auf die Vermittlung der Vorstellung, infolge eines verminderten schädlichen Einflusses die gesundheitliche Situation von Zigarettenkonsumenten verbessern zu können. Diese Wirkung steht zwischen den Parteien letztlich nicht im Streit, nachdem die E-Zigarette unstreitig deutlich geringere schädliche Auswirkungen hat als die Tabakzigarette.
Dass mit der streitgegenständlichen Werbung eine gesundheitsfördernde Wirkung beworben werden soll, wird im Übrigen von dem Kläger selbst nicht vorgetragen.
Der Senat verkennt schließlich nicht, dass die Werbung tatsächlich nicht nur von Tabakkonsumenten, sondern auch von Nichtrauchern wahrgenommen wird. Auch insoweit kann jedoch eine irreführende Wirkung der streitgegenständlichen Werbung nicht festgestellt werden. Denn auch der Nichtraucher erkennt, dass sich die Werbung an Tabakraucher richtet, sodass auch er von der Vorstellung geleitet wird, dass für Raucher mit dem Umstieg von der Tabakzigarette auf die elektronische Zigarette eine lebensrettende Wirkung verbunden sein kann. Keinesfalls wird ein Nichtraucher demgegenüber alleine aus dem Grund, dass er keine Tabakzigaretten konsumiert, den Schluss ziehen, dass das beworbene Produkt für ihn gesundheitlich gänzlich unbedenklich ist. Erkennt der Nichtraucher nämlich den Tabakkonsumenten als Adressaten, wird auch er – wie der Raucher selbst – von der Vorstellung geleitet, dass die E-Zigarette lediglich im Verhältnis zur Tabakzigarette eine weniger schädliche Wirkung hat, jedoch nicht gänzlich frei von schädlichen Wirkungen ist. Dies gilt umso mehr, als auch der Nichtraucher weiß, dass E-Zigaretten neben Duftstoffen Nikotin enthalten können und aus diesem Grund von ihnen insoweit ebenfalls schädliche Wirkungen ausgehen können, die einer gesundheitlichen Unbedenklichkeit entgegenstehen. Eine weitergehende, über die reine Risikoreduzierung hinausgehende gesundheitlich unbedenkliche Wirkung wird er ihr aus diesem Grund nicht zuschreiben, sodass er keinem Irrtum erliegt.
Besteht aus diesen Gründen ein unlauteres Verhalten der Beklagten und ein damit zusammenhängender Unterlassungsanspruch des Klägers nicht, kommt auch ein Anspruch auf Erstattung der infolge der Abmahnung entstandenen Aufwendungen nach § 13 Abs. 3 UWG n.F. nicht in Betracht.
Die Revision war nicht zuzulassen.
Gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift oder über das Verhältnis mehrerer Bestimmungen zueinander Unklarheiten bestehen. Solche Zweifel sind insbesondere zu bejahen, wenn die Rechtsfrage in veröffentlichten Entscheidungen – soweit ersichtlich – noch nicht erörtert wurde (MüKoZPO/Krüger, 6. Aufl. 2020, ZPO § 543 Rn. 7). Weiterhin muss die zu entscheidende Rechtsfrage nicht nur für die Parteien des Rechtsstreits, sondern allgemein von Bedeutung sein. Diese Voraussetzung fehlt, wenn es sich bei dem Streitfall nur um einen von dem Berufungsgericht entschiedenen Einzelfall handelt (MüKoZPO/Krüger, 5. Aufl. 2016, ZPO § 543 Rn. 8).
Dies ist vorliegend der Fall. Denn es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalles, in dem die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der streitgegenständlichen Werbung der Beklagten zu beurteilen ist. Eine über den konkreten Fall hinausgehende klärungsbedürftige Rechtsfrage ist demgegenüber nicht gegeben.
Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zur Fortbildung des Rechts ist dies geboten, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Dazu soll nur dann Anlass bestehen, wenn es für die Beurteilung typischer oder „verallgemeinerungsfähiger“ Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierung ganz oder teilweise fehlt (Musielak/Voit/Ball, 17. Aufl. 2020, ZPO § 543 Rn. 7; MüKoZPO/Krüger, 6. Aufl. 2020, ZPO § 543 Rn. 11). Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Revision zuzulassen, wenn in der angefochtenen Entscheidung ein die Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem tragenden abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung eines höherrangigen oder gleichrangigen anderen Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts abweicht (Musielak/Voit/Ball, 17. Aufl. 2020, ZPO § 543 Rn. 8d).
Diese Voraussetzungen liegen ebenfalls nicht vor. Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine Einzelfallentscheidung, die auch nicht der Rechtsfortbildung dient. Soweit die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 21 TabakerzG zu beurteilen war, weicht der Senat nicht von einer Entscheidung eines anderen Gerichts ab, sodass eine Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung insoweit nicht geboten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.