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Wucher im Coachingvertrag? OLG Schleswig Holstein äußert sich zur Sittenwidrigkeit und FernUSG

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Foto von Scott Graham auf Unsplash

Die Nachfrage nach Unternehmens-Coachings wächst. Viele Unternehmer sind dazu bereit, auch gegen Zahlung größerer Summen, vom Fachwissen anderer Unternehmer zu profitieren.

Mitunter kommt es vor, dass Teilnehmer ihre Entscheidung bereuen und dann unter anderem die Wirksamkeit der entsprechenden Coachingverträge in Frage stellen.

Das Schleswig Holsteinische OLG hat sich kürzlich in einer Entscheidung (Urteil vom 05.07.24, 19 U 65/24) der Frage der Sittenwidrigkeit und wucherähnlichen Geschäften im Bereich von Mentoringverträgen sowie der Anwendbarkeit des FernUSG auf solche Verträge gewidmet.

Während die Klägerin, ein Unternehmen, das Mentoring-Programme anbietet, vor dem LG Kiel noch scheiterte, änderte das OLG die Entscheidung in einem Berufungsurteil ab und erkannte der Klägerin einen vertraglichen Zahlungsanspruch zu.

Klägerin unterlag in Vorinstanz

Die Klägerin hatte mit dem Beklagten telefonisch einen Vertrag über die Durchführung eines Mentoring-Programmes zum Preis von 60.000 € geschlossen. Nachdem die Beklagte die ersten Raten nicht gezahlt hatte, zog die Klägerin zur Geltendmachung des Zahlungsanspruchs vor das Landgericht Kiel, vor dem sie zunächst unterlag. Das LG sah in dem geschlossenen Vertrag ein wucherähnliches Geschäft wegen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung (60.0000€) und der Gegenleistung, die etwa bei vergleichbaren Fernuniversitäten ca. 5000 € kosten würde. Das LG hatte zudem eine verwerfliche Gesinnung bei der Klägerin vermutet.

Das OLG änderte durch das Berufungsurteil das Urteil des LG Kiel ab und verurteilte die Beklagte zur Zahlung der vereinbarten Raten nebst Zinsen. Es sei ein Vertrag geschlossen worden, der nicht nichtig sei und von dem sich die Beklagte auch nicht wirksam gelöst habe.

Hohe Gegenleistung bedeutet nicht automatisch Wucher

Während das LG Kiel noch ein sittenwidriges Geschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB angenommen hatte, bemängelte das OLG diesen Schluss. Ein sittenwidriges Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sei ein solches, welches gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, also als moralisch verwerflich anzusehen ist. Eine Sittenwidrigkeit im Sinne eines wucherähnlichen Geschäfts setze voraus, dass neben dem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ein weiterer Umstand hinzutreten müsse, der auf die verwerfliche Gesinnung der Klägerin schließen und somit das Geschäft insgesamt als sittenwidrig erscheinen lasse.

Laut OLG liege aber schon kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung (60.000 € in zwölf Raten zu je 5.000€) und Gegenleistung (Mentoring über zwölf Monate) vor. Ein Missverhältnis lasse sich aus dem Vergleich der vereinbarten Leistung mit dem objektiven Wert der Gegenleistung, der üblicherweise an dessen Marktwert zu messen sei, ermitteln. Das Mentoring-Angebot der Klägerin sei jedoch nicht mit Lehrgängen einer Fernuniversität vergleichbar und nicht auf die klassische Vermittlung von Grundlagenwissen ausgerichtet, sondern auf die Weitergabe der persönlichen Erfahrungen und Methoden des Mentors, um kurzfristig den wirtschaftlichen Erfolg eines konkreten Unternehmens voranzutreiben. Der Vergleich mit ähnlichen Programmen, wie etwa das einer Partei aus einem Verfahren vor dem OLG Köln (Urteil vom 06.12.2023 – 2 U 24/23), zeige, dass der hier verabredete Preis nicht auffällig über dem Marktpreis stehe. Demnach lasse sich kein wucherähnliches Geschäft herleiten.

Keine Anwendung des FernUSG ohne Überwachung des Lernerfolgs

Das OLG führte aus, dass der Vertrag auch nicht nach §§ 7, 12 Abs. 1 FernUSG nichtig sei, weil keine Zulassung des Klägerin für Fernunterrichtsverträge vorläge. Ein Fernunterrichtsvertrag verlange gemäß § 1 Abs. 1 FernUSG neben der räumlichen Trennung vom Lehrenden und Lernenden auch eine Überwachung des Lernerfolgs. Der BGH setze hierbei zwar ein weites Verständnis voraus, wonach es genüge wenn ein vertraglicher Anspruch darauf bestehe, dass etwa in einer unterrichtsbegleitenden Veranstaltung durch mündliche Fragen individuell durch den Lehrenden oder einen Beauftragten kontrolliert wird, ob der Lernende den erlernten Stoff auch tatsächlich verinnerlicht hat.

Dies sei hier gerade jedoch nicht geschuldet gewesen. Es ginge in dem Mentoring-Programm nicht darum einen objektiv messbaren Erfolg herbeizuführen, sondern darum das persönliche Erfahrungswissen des Mentors zu präsentieren, wobei die tatsächliche Implementierung und Umsetzung durch die Teilnehmer in ihrem eigenen Unternehmen letztlich in deren eigener Verantwortung liegen sollte. Zwar sei die Möglichkeit von Rückfragen gegeben, dies genüge jedoch noch nicht zur Annahme einer Lernerfolgskontrolle.

Kein Widerrufsrecht bei B2B-Vertrag und keine Kündigung erfolgt

Der Beklagte hatte versucht sich durch einen Widerruf vom Vertrag zu lösen. Ihm stand laut Gericht jedoch kein Widerrufsrecht zu. Er habe den Vertrag geschlossen, um seine Fähigkeiten zur Umsatzsteigerung in seinem Unternehmen zu verbessern und somit nicht rein zu privaten Zwecken, also nicht als Verbraucher, gehandelt. Auch ein Widerrufsrecht aus dem FernUSG komme mangels Anwendbarkeit nicht in Frage.

Weiterhin sei ein Kündigungsrecht ebenfalls nicht gegeben. Eine ordentliche Kündigung sei bei Dienstverträgen, die auf bestimmte Zeit geschlossen wurden, grundsätzlich nicht möglich (§ 620 Abs. 1 BGB). Für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB fehle es des Weiteren an einem wichtigen Grund. Vertragsreue und fehlende Zahlungsfähigkeit fielen jedenfalls nicht hierunter. Auch eine Kündigung wegen Erbringung von Dienstleistungen höherer Art nach § 627 BGB komme nicht in Betracht. Dafür fehle es an einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien, da der Mentor keinen detaillierten Einblick in Geschäftsgeheimnisse und Geschäftszahlen erlange, wie dies etwa bei Unternehmensberatern der Fall wäre.

Fazit

Die Entscheidung des Schleswig Holsteinischen OLG ist eine gute Nachricht für Coaching-Anbieter. Deren Angebote müssen sich demnach nicht mit Lehrgängen durch Fernuniversitäten vergleichen lassen, da sich die Ziele, Lernmethoden und vermittelte Inhalte unterscheiden. Dies ist wichtig für die Bewertung des Marktwerts entsprechender Leistungen, an dem der Vorwurf des Wuchers zu messen ist.

Zudem unterstreicht das Urteil erneut die Kriterien, die zur Anwendung des FernUSG herangezogen werden. Insbesondere müsste eine Überprüfung des Lernerfolgs durch den Coach oder seinen Beauftragten erfolgen. Wollen Coaching-Anbieter vermeiden, unter dieses Gesetz zu fallen, sollten sie darauf achten, dass im Vertrag festgehalten wird, dass eine solche Lernerfolgskontrolle gerade nicht geschuldet ist.

Anbieter von Mentoring- bzw. Coachingprogrammen sollten sich rechtlich absichern. LHR Rechtsanwälte berät ihre Mandaten zu allen Fragen im Bereich (Online-)Coachingverträge, entwirft oder prüft entsprechende Verträge und vertritt Unternehmer gerichtlich sowie außergerichtlich.

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