AG Berlin-Wedding: Missbrauch des PayPal-Käuferschutzes verpflichtet zur Zahlung
Mit Urteil vom 13. Februar 2025 (AG Berlin-Wedding, Urteil v. 13.2.2025, Az. 13 C 5138/24) hat das AG Wedding entschieden, dass ein Verbraucher den Kaufpreis für eine erhaltene Ware auch dann begleichen muss, wenn er sich den Betrag über einen Zahlungsdienstleister wie PayPal zunächst hatte erstatten lassen.
Im konkreten Fall hatte ein Käufer ein sogenanntes Balkonkraftwerk (eine Stecker-Solaranlage für den Balkon) online bestellt und per PayPal bezahlt. Nach Erhalt der Ware widerrief er den Kaufvertrag fristgerecht. Er veranlasste über PayPal eine Rückbuchung des bereits gezahlten Betrags und behauptete PayPal gegenüber, die Ware nicht erhalten zu haben – ohne die Ware zurückzusenden. Das Gericht wertete dieses Vorgehen als unzulässige Umgehung des gesetzlichen Rückabwicklungs-Prozederes und bestätigte das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers.
Der Käufer wurde verurteilt, den offenen Betrag von 289 Euro zuzüglich Zinsen sowie die angefallenen Anwaltskosten zu zahlen.
PayPal-Käuferschutz: Kein Freibrief für Verbraucher
Online-Bezahldienste wie PayPal werben mit einem Käuferschutz, der Verbraucher vor unseriösen Händlern schützen soll. Meldet ein Kunde etwa „Ware nicht erhalten“ oder einen ähnlichen Problemfall, kann PayPal den bereits gezahlten Betrag zurückholen und dem Käufer erstatten. Dieses Instrument bietet zwar Sicherheit, ist aber kein Freibrief, um sich unberechtigt Vorteile zu verschaffen. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann ein solcher Missbrauch dazu führen, dass man am Ende doch zahlt – und obendrein auf Zinsen und Gerichtskosten sitzenbleibt.
Der Fall: Widerruf und Rückbuchung ohne Rücksendung der Ware
Im entschiedenen Fall hatte der Käufer den online geschlossenen Kaufvertrag über das Balkonkraftwerk innerhalb der Widerrufsfrist von 14 Tagen widerrufen. Damit entstand ein sogenanntes Rückabwicklungsschuldverhältnis: Der Händler muss den Kaufpreis erstatten und der Verbraucher die erhaltene Ware zurückgeben. Die Verkäuferin teilte dem Kunden umgehend mit, dass sie von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch mache – das heißt, sie werde den Kaufpreis erst zurückzahlen, sobald das Produkt zurückgeschickt oder zumindest der Versand nachgewiesen ist. Dennoch initiierte der Käufer am 28.08.2024 über PayPal eine Rückbuchung des Kaufpreises mit dem Vermerk „Artikel nicht erhalten“. PayPal zog daraufhin 289 Euro vom Konto der Verkäuferin ein und überwies den Betrag zurück an den Käufer.
Aus Sicht des Käufers schien die Sache damit erledigt: Er hatte sowohl den Solargenerator als auch sein Geld wieder. Die Firma hingegen stand vor einem Problem – Ware weg und kein Geld.
Da der Kunde trotz Aufforderung keine Rücksendung veranlasste, blieb der Verkäuferin nur der Rechtsweg. Sie klagte vor dem Amtsgericht Wedding auf Zahlung des ausstehenden Kaufpreises und Erstattung der durch die Anwaltsschreiben entstandenen Kosten. Der Rechtsstreit drehte sich im Kern darum, ob der Käufer durch die PayPal-Rückbuchung faktisch sein Widerrufsrecht überdehnt und gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen hat.
Rechtslage: Widerrufsrecht und Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers
Nach deutschem Recht dürfen Verbraucher einen Online-Kauf binnen 14 Tagen widerrufen und die Ware zurückgeben. Der Verkäufer muss dann den gezahlten Kaufpreis rückerstatten. Allerdings schreibt § 357 Abs. 4 BGB vor, dass der Unternehmer die Rückzahlung verweigern darf, bis er die Ware zurückerhalten oder zumindest einen Versandnachweis vom Käufer erhalten hat. Dieses gesetzliche Zurückbehaltungsrecht schützt Händler davor, im Regen zu stehen, wenn Kunden vom Widerrufsrecht Gebrauch machen. Ohne diese Regel könnten unseriöse Käufer theoretisch Ware und Geld zugleich behalten, wenn sie einfach die Zahlung zurückfordern. Daher darf der Verkäufer abwarten, bis die Retourensendung auf dem Weg ist, bevor er das Geld herausgibt.
Im vorliegenden Fall hatte die Verkäuferin genau dieses Recht ausgeübt: Sie informierte den Käufer schriftlich, dass erst eine Rücksendung erfolgen müsse, bevor er sein Geld zurückbekommt. Wichtig zu wissen: Versäumt es der Händler, den Kunden über dessen Pflicht zur Rücksendung oder die Übernahme der Rücksendekosten zu belehren, erlischt das Zurückbehaltungsrecht nicht. Es tritt lediglich eine andere Folge ein – nämlich dass der Unternehmer die Rücksendekosten selbst tragen muss. Der Käufer bleibt aber weiterhin verpflichtet, die Ware zurückzuschicken. Auch größere oder unhandliche Artikel (wie hier das Balkonkraftwerk) müssen vom Verbraucher zurückgegeben werden; er kann vom Verkäufer lediglich die angemessenen Versandkosten ersetzt verlangen, falls dieser ihn nicht korrekt über die Rücksendemodalitäten aufgeklärt hat.
Urteil: Unzulässige Umgehung führt zu Zahlungspflicht
Das Amtsgericht Wedding gab der klagenden Firma vollumfänglich Recht. Der Versuch des Käufers, sich mittels PayPal-Rückbuchung über die Regeln hinwegzusetzen, wurde vom Gericht durchschaut und sanktioniert. In den Entscheidungsgründen heißt es sinngemäß, der Käufer habe seine vertragliche Leistungstreuepflicht verletzt, indem er den Käuferschutz missbräuchlich eingeschaltet habe. Er habe damit die gesetzlich vorgesehene Reihenfolge – erst Ware zurück, dann Geld zurück – umgangen und sich zu Unrecht einen Vorteil verschafft. Das Gericht bestätigte, dass der Zahlungsanspruch der Verkäuferin weiterhin besteht. Der Käufer muss den Kaufpreis zahlen, obwohl PayPal ihm diesen zunächst erstattet hatte.
Bemerkenswert ist, dass das Gericht auch die Argumente des Käufers verwarf, mit denen er sein Verhalten zu rechtfertigen suchte. So hatte der Verbraucher vorgebracht, die Rücksendung sei ihm nicht möglich gewesen, weil das Solargerät sperrig und schwer sei und ihm eine „Abstellgenehmigung“ (eine Ablagevereinbarung für das Paket) fehlte. Zudem monierte er, der Händler habe ihn nicht ordnungsgemäß über die Kosten der Rücksendung informiert.
Doch das Gericht ließ diese Einwände nicht gelten: Weder das Gewicht der Ware noch organisatorische Hürden entbinden den Käufer von der Rücksendepflicht. Wegen der fehlenden Belehrung über die Rücksendekosten hätte der Käufer zwar Anspruch darauf, dass der Verkäufer die Rückfracht zahlt – nicht jedoch durfte er einfach die Rückgabe verweigern. Durch die Bank bestätigte das Amtsgericht somit, dass Vertragstreue und Gesetzestreue über dem Kulanzversprechen eines Zahlungsdienstleisters stehen. Der PayPal-Käuferschutz schützt nicht vor gesetzlichen Pflichten. Folgerichtig wurde der Käufer verurteilt, der Firma den ausstehenden Betrag von 289 Euro nebst Zinsen seit dem Verzug sowie die vorgerichtlichen Anwaltskosten (rund 45 Euro) zu erstatten.
Bedeutung für Verbraucher und Unternehmer in der Praxis
Dieses Urteil ist aufschlussreich für beide Seiten des Online-Handels. Verbraucher sollten sich bewusst sein, dass Käuferschutz-Programme kein legitimes Mittel sind, um sich bei einem Widerruf ohne Rücksendung das Geld zu sichern. Wer Ware bestellt und bezahlt, muss sie im Falle eines Widerrufs auch zurückgeben – anderenfalls kann der Händler Zahlung verlangen.
Die Versuchung, „doppelt abzusahnen“ (Ware und Geld zu behalten), kann teuer enden. Im schlimmsten Fall drohen eine Klage und zusätzliche Kosten. Verbraucher sind daher gut beraten, den Widerruf korrekt abzuwickeln: Dazu gehört, die erhaltene Ware fristgerecht zurückzusenden oder zumindest mit dem Verkäufer eine Lösung abzustimmen, statt eigenmächtig den Zahlungsdienstleister einzuschalten.
Für Unternehmer wiederum zeigt der Fall, dass sie sich gegen einen Missbrauch von Zahlungsdienstleistern wirksam wehren können. Wichtig ist, das Zurückbehaltungsrecht aktiv auszuüben – also den Kunden sofort darauf hinzuweisen, dass erst nach Rückerhalt der Ware erstattet wird. Kommt es dennoch zu einer unberechtigten Rückbuchung via PayPal & Co., sollten Händler nicht zögern, ihre Ansprüche geltend zu machen.
Die Rechtslage ist auf ihrer Seite: Hat der Kunde die Ware noch, besteht weiterhin Anspruch auf den Kaufpreis. Im Zweifel kann dieser Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden, wie das Urteil des AG Wedding belegt. Online-Händler müssen sich also nicht mit einem ungerechtfertigten PayPal-Entscheid abfinden, sondern können auf dem Rechtsweg dafür sorgen, dass am Ende weder Ware noch Zahlung verloren sind.
(Offenlegung: LHR hat die Klägerin vertreten.)