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Verträge per WhatsApp – rechtswirksam oder riskant?

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Immer mehr Verträge werden heutzutage nicht mehr am Konferenztisch, sondern per Messenger abgeschlossen. 

Doch was bedeutet das rechtlich – und wie beweissicher sind solche Vereinbarungen vor Gericht?

Die Digitalisierung verändert den Vertragsschluss

Im Geschäfts- und Privatleben werden Vertragsverhandlungen zunehmend digital geführt – oftmals über Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal oder Telegram. Die Gründe liegen auf der Hand: Schnelligkeit, Erreichbarkeit und informeller Umgangston schaffen eine niederschwellige Kommunikationsform, die insbesondere bei kurzfristigen Absprachen attraktiv wirkt.

Doch was viele unterschätzen: Auch eine WhatsApp-Nachricht kann rechtlich als Vertrag gelten – zumindest dann, wenn alle wesentlichen Vertragselemente enthalten sind. Die zentrale Frage lautet daher: Wann liegt ein wirksamer Vertrag vor und wie beweisbar ist er im Streitfall?

Formfreiheit im deutschen Vertragsrecht – mit Ausnahmen

Grundsätzlich gilt in Deutschland Vertragsfreiheit und damit auch Formfreiheit (§ 311 BGB). Verträge können mündlich, schriftlich oder konkludent – also durch schlüssiges Verhalten – geschlossen werden. Dies bedeutet: Auch über einen Messenger-Dienst geschlossene Verträge können wirksam sein, solange sich Angebot und Annahme eindeutig zuordnen lassen.

Allerdings gibt es gesetzlich normierte Formvorschriften, etwa bei Bürgschaften (§ 766 BGB), Grundstückskaufverträgen (§ 311b BGB) oder Arbeitsverträgen nach dem Nachweisgesetz (seit dem 1. August 2022). Hier ist mindestens Textform oder gar Schriftform erforderlich – eine WhatsApp-Nachricht genügt dann nicht.

WhatsApp als Beweismittel – der Teufel steckt im Detail

Auch wenn ein Vertrag formal wirksam zustande gekommen ist, stellt sich bei Rechtsstreitigkeiten die entscheidende Frage: Wie kann dieser Vertrag vor Gericht nachgewiesen werden?

Gerichte erkennen grundsätzlich digitale Kommunikationsmittel – also auch WhatsApp-Nachrichten – als Beweismittel an. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO. Allerdings bestehen in der Praxis erhebliche Hürden bei der Beweisführung:

  • Authentizität: Wer hat die Nachricht tatsächlich geschrieben? Lässt sich ein Screenshot zweifelsfrei einem bestimmten Absender zuordnen?
  • Unverfälschtheit: Besteht die Möglichkeit, dass die Nachricht nachträglich manipuliert wurde?
  • Vollständigkeit: Wurden relevante Nachrichten gelöscht oder fehlt der Kontext?

Die bloße Vorlage eines Screenshots genügt regelmäßig nicht. Empfehlenswert ist daher die Sicherung kompletter Chatverläufe sowie die Dokumentation des Nachrichtenverkehrs – idealerweise in einer exportierten PDF-Datei oder als gerichtsverwertbare Datensicherung.

Wichtig: Das Landgericht Bonn hat mit Urteil vom 31.01.2020 (Az. 17 O 323/19) entschieden, dass die Lesebestätigung durch zwei blaue Haken bei WhatsApp grundsätzlich als Zugangsnachweis einer Nachricht im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden kann.

Das Gericht stellte klar, dass die blauen Haken belegen, dass eine Nachricht auf dem Gerät des Empfängers geöffnet wurde. Damit ist der typische Ablauf des Zugangs gegeben: Die Nachricht gelangt in den Machtbereich des Empfängers und wird dort wahrgenommen

Diese Entscheidung stärkt die Position von Absendern digitaler Nachrichten – zeigt aber auch, dass Messenger-Kommunikation nur dann beweissicher ist, wenn sie sorgfältig dokumentiert wird. Siehe unseren Beitrag dazu hier:

Relevanz im Arbeitsrecht und Familienrecht

Auch in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen und familienrechtlichen Verfahren spielen WhatsApp-Nachrichten zunehmend eine Rolle. So können sie etwa im Rahmen von Kündigungsschutzklagen oder Unterhaltsprozessen als Indizien herangezogen werden – etwa zur Beweisführung über Arbeitsanweisungen, Pflichtverletzungen oder Absprachen.

Die Arbeitsgerichte zeigen sich hier grundsätzlich offen für moderne Beweisführung – sofern der Chatverlauf plausibel, vollständig und beweisrechtlich abgesichert ist.

Empfehlungen für die Praxis

Wer über Messenger Verträge schließt oder rechtserhebliche Erklärungen abgibt, sollte sich über die Beweisrisiken im Klaren sein. Folgende Empfehlungen helfen, Streitigkeiten vorzubeugen:

  1. Vertragsrelevante Absprachen schriftlich zusammenfassen – idealerweise in einem PDF oder per E-Mail nachdokumentieren.
  2. Chatverläufe regelmäßig exportieren und sichern.
  3. Zugangsnachweise gesondert erbringen, etwa durch Empfangsbestätigungen oder Zeugen.
  4. Bei komplexeren oder formbedürftigen Verträgen sollte auf klassische Vertragsformen zurückgegriffen werden – per Signatur, E-Mail oder in Schriftform.

Fazit

Der Messenger ist kein rechtsfreier Raum. Auch über WhatsApp geschlossene Verträge können rechtlich bindend sein – allerdings ist ihre Durchsetzbarkeit im Streitfall nicht trivial. Gerade weil Messenger-Kommunikation informell ist, fehlt oft die juristische Absicherung.

Wer sich auf WhatsApp-Absprachen verlässt, sollte sich bewusst sein: Im Zweifel entscheiden Vollständigkeit, Nachweisbarkeit und Kontext – nicht die Art des Kommunikationskanals.

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