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Coachingverträge und das FernUSG

Voraussetzungen und Folgen für Coaching-Anbieter

Im digitalen Zeitalter ist es so einfach wie nie zuvor sich weiterzubilden und neue Fähigkeiten und Kenntnisse zu erlangen. Dabei ermöglichen es Live-Calls, audiovisuelle Medien und andere Technologien von überall online mit Experten in Kontakt zu treten und auf deren Erfahrung und Wissen zurückzugreifen. Viele Unternehmen bieten mittlerweile Online-Coachings an, in denen sie interessierten Teilnehmern ihre Inhalte vermitteln. Dabei stellt sich die Frage, ob besondere Rechtsvorschriften, insbesondere die des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG), von den Anbietern von Online-Coachings zu beachten sind.

Dieser Beitrag erläutert die Anwendungsvoraussetzungen des FernUSG und setzt sich mit der aktuellen Rechtsprechung zur Anwendbarkeit auf Online-Coachingverträge auseinander.

Anwendungsvoraussetzungen des FernUSG

Die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des FernUSG sind in § 1 Abs. 1 FernUSG geregelt. Danach fallen in den Anwendungsbereich Verträge über die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der

  • der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und
  • der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwacht.

Online-Coachings, die diese Voraussetzungen erfüllen, fallen demnach unter das FernUSG. Doch die Auslegung dieser Voraussetzungen, insbesondere die räumliche Trennung von Lehrpersonen und Lernenden sowie die Überwachung des Lernerfolgs sind in der Rechtsprechung umstritten. Zudem wird diskutiert, ob das FernUSG nur auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern (B2C-Verträge) oder auch auf Coachingverträge zwischen Unternehmern (B2B-Verträge) anzuwenden ist. Im Folgenden wird auf die einzelnen Streitpunkte zu den Voraussetzungen eingegangen.

Räumliche Trennung

Die Definition der ausschließlichen oder überwiegenden räumlichen Trennung ist gesetzlich nicht definiert und derzeit umstritten.

Der reine Wortlaut könnte dahingehend verstanden werden, dass es rein um die physische Trennung von Lehrenden und Lernenden geht, die bei jedem Online-Coaching schon vorläge, da sie sich nicht an einem Ort befinden. Dagegen hat das LG Hamburg (Urteil vom 19.07.2023 – Az. 304 O 277/22) den Fall einer Live-Videokonferenz, bei der der Coach, sowie die Teilnehmer trotz physischer Distanz gleichzeitig in einen geistigen Kontakt treten, nicht als räumliche Trennung angesehen. Auch das LG München (Urteil vom 12.02.2024 – Az. 29 O 12157/23) argumentiert, dass die räumliche Trennung aus dem FernUSG, dass im Jahr 1977 eingeführt wurde, als die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters noch nicht vorhersehbar waren, heutzutage im Sinne einer fehlenden Synchronität verstanden werden müsse. Dieser Ansicht wird zu folgen sein.

Demnach kommt es darauf an, ob die Vermittlung der Inhalte vollständig oder überwiegend (über 50 %) asynchron stattfindet. Unter asynchrone Vermittlung fallen solche Methoden, bei denen die Bereitstellung der Inhalte und deren Abruf durch die Teilnehmer mit zeitlichem Abstand stattfinden und keine Möglichkeit zum sofortigen Austausch besteht, also etwa bei E-Mail, Video, Podcast, Online-Foren und ähnlichem. Synchrone Vermittlung hingegen liegt dementsprechend bei „virtuellen Klassenzimmern“ oder „Online-Seminaren“ mit sofortiger Kontaktmöglichkeit, zB über Zoom, vor, bei denen die „räumliche Trennung“ im Sinne des FernUSG nicht gegeben ist.

Überwachung des Lernerfolgs

Die Kontrolle des Lernerfolgs ist in vielen Fällen zum Online-Coaching das entscheidende Merkmal, auf das es bei der Anwendbarkeit des FernUSG ankommt. Laut BGH (Urteil vom 15.10.2009 – III ZR 310/08) ist der Begriff weit auszulegen. Demnach liegt eine Überwachung des Lernerfolgs bereits dann vor, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten. Eine einmalige Überwachung soll hierbei ausreichen. Die Selbstkontrolle durch die Teilnehmer selbst, die reine Möglichkeit Nachfragen zu stellen oder auch die Bereitstellung eines Netzwerks zum Austausch sollen laut einem Teil der Rechtsprechung (LG München, Urteil vom 12.02.2024 – Az. 29 O 12157/23; OLG Köln, Urteil vom 6.12.2023, Az. 2 U 24/23) jedoch trotz weiter Auslegung nicht ausreichen.

Es kommt hierbei demnach besonders auf den Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung an. Indizien auf eine geschuldete Überwachung des Lernerfolgs können Begriffe wie „Studium“, „Lehrgang“, „Absolvent“ und „Zertifikat“ sein und können in die Vertragsauslegung einbezogen werden.

Anwendbarkeit bei B2B-Verträgen

Ein sehr umstrittene Frage ist schließlich, ob das FernUSG auch auf B2B-Verträge Anwendung finden kann. Das LG München argumentiert, das FernUSG diene laut seiner Gesetzesbegründung primär dem Schutz der Verbraucher und enthalte auch in § 3 Abs. 3 FernUSG einen Verweis auf bestimmte Informationspflichten von Unternehmern gegenüber Verbrauchern.

Dementgegen bejaht das OLG Celle die Anwendbarkeit auf B2B-Verträge und vertritt die Ansicht, dass zwar die Gesetzesbegründung auf den Verbraucherschutz hinweist, jedoch im FernUSG keine spezielle Vorschrift zu finden ist, die den gesetzlichen Schutz auf Verbraucherverträge beschränkt. Vielmehr sei der Verbraucherschutz zwar erklärtes Ziel des Gesetzes, jedoch nicht unter Ausschluss von Verträgen zwischen Unternehmern. Hinzu komme, wie bereits das OLG Köln (Urteil vom 6.12.2023, Az. 2 U 24/23) argumentierte, dass das FernUSG aus den 1970er-Jahren stammt und damit vor der Einführung des modernen Verbraucherschutzrechts, sodass der Begriff des Verbrauchers nicht mit dem heutigen Verständnis gleichgesetzt werden dürfe. Vielmehr seien alle Teilnehmer eines Fernunterrichts einzubeziehen.

Ob diese Ansicht sich durchsetzen wird, bleibt jedoch noch abzuwarten. Höchstrichterliche Rechtsprechung sowie eine gesetzliche Klarstellung fehlt bislang. Zum Urteil des OLG Celle ist derzeit ein Revisionsverfahren vor dem BGH (BGH III ZR 56/23) anhängig.

Rechtsfolgen des FernUSG

Finden die Regeln des FernUSG auf Online-Coachingverträge Anwendung, ergeben sich hierbei verschiedene Rechtsfolgen:

Zulassungspflicht und Nichtigkeit bei Verstoß

Die wohl wichtigste Rechtsfolge ist gemäß § 12 FernUSG die Pflicht zur Zulassung der Fernlehrveranstaltung durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) in Köln. Fehlt eine solche Zulassung, sind entsprechende Coaching-Verträge nichtig (§ 7 Abs. 1 FernUSG). In diesem Fall würde gegen Teilnehmer der jeweiligen Kurse kein Zahlungsanspruch bestehen. Sie könnten also die Zahlung verweigern oder sogar ihr Geld trotz durchgeführten Coachings zurückverlangen.

Form und Inhalt des Vertrags

Nach § 3 Abs. 1 FernUSG bedürfen Fernunterrichtsverträge der Textform. Zudem können bei Verträgen, die innerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden und keine Fernabsatzverträge sind, gemäß § 3 Abs. 2 FernUSG umfangreiche Informationspflichten (Art. 246a § 1 EGBGB) entstehen.

Vertragliche Pflichten

Nach § 2 Abs. 1 FernUSG ist der Veranstalter verpflichtet:

  • die vorgesehenen Arbeitsmittel in den vereinbarten Zeitabständen zu liefern,
  • den Lernerfolg zu überwachen, insbesondere die eingesandten Arbeiten innerhalb angemessener Zeit sorgfältig zu korrigieren,
  • und dem Teilnehmer diejenigen Anleitungen zu geben, die er erkennbar benötigt.

Der Teilnehmer ist laut § 2 Abs. 2 FernUSG zur Leistung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Die Vergütung ist grundsätzlich in Teilleistungen für einen Zeitabschnitt von jeweils drei Monaten zu leisten. Höhere Teilleistungen sowie Vorauszahlungen dürfen grundsätzlich weder vereinbart noch gefordert werden, es sei denn das Lehrmaterial in kürzeren Zeitabständen zu liefern ist.

  • Zudem sind sind folgende Vereinbarungen zulasten des Teilnehmers nach § 2 Abs. 5 FernUSG unwirksam:
  • Vertragsstrafen,
  • die Festsetzung der Höhe eines Schadensersatzes in Pauschbeträgen,
  • den Ausschluss oder die Beschränkung von Schadensersatzansprüchen,
  • den Verzicht des Teilnehmers auf das Recht, im Falle der Abtretung der Ansprüche
    des Veranstalters an einen Dritten Einwendungen, die zur Zeit der Abtretung der
    Forderung gegen den Veranstalter begründet waren, dem neuen Gläubiger
    Entgegenzusetzen.

Regeln zum Widerruf und zur Kündigung

Bei Fernunterrichtsverträgen, die weder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, noch Fernabsatzverträge sind, steht dem Teilnehmer ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu (§ 4 FernUSG).

Zudem können Teilnehmer nach § 5 FernUSG erstmals zum Ablauf von sechs Monaten ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von sechs Wochen in Textform kündigen. Danach ist die Kündigung mit einer Frist von drei Monaten möglich. Im Fall der Kündigung müssen die Teilnehmer nur den Teil des Preises zahlen, der dem Wert der Leistungen während der Vertragslaufzeit entspricht.

Weitere Regeln

Darüberhinaus bestehen noch weitere Regeln, die hier nur kurz dargestellt werden:

Praktische Hinweise

Die Regelungen des FernUSG können einige Risiken für Online-Coaches bedeuten, sofern sie anwendbar sind. Es kommt im Wesentlichen darauf an, ob es um überwiegend asynchrone Vermittlung der Inhalte geht und ob die Überwachung des Lernerfolgs vertraglich vorgesehen ist.

Liegen die Voraussetzungen vor, muss eine behördliche Zulassung eingeholt werden. Wollen Anbieter von Online-Coachings jedoch vermeiden, dass ihre Verträge unter das FernUSG fallen, ist es wichtig, in den Coachingverträgen ausdrücklich festzuhalten, dass keine Überwachung des Lernerfolgs erfolgt oder geschuldet ist. Zudem sollte auf die Verwendung von Begriffen wie „Lehrgang“, „Studium“, „Absolvent“ und „Zertifikat“ verzichtet werden.

Zudem besteht das Risiko, dass auch Verträge im Bereich B2B unter die Regelungen fallen können. Zwar gelten die hierzu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen lediglich für die beteiligten Parteien, der BGH könnte sich jedoch der Ansicht des OLG Celle anschließen. Demnach ist hier ebenso darauf zu achten, dass auch solche Verträge von vornherein nicht als Fernunterrichtsverträge anzusehen sind, also zumindest keine Überwachung des Lernerfolgs stattfindet.

Bieten Sie oder ihr Unternehmen Online-Coachings an und sind sich unsicher ob ihre derzeitigen oder zukünftigen Verträge unter das FernUSG fallen? Wir beraten Sie gerne in allen Fragen zum Thema Online-Coaching und FernUSG sowie zur Gestaltung entsprechender Verträge.

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